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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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nicht so wie früher, es dünkte ihm, als ob sie ihren eigenen Willen hätten. Umsonst befahl er ihnen, ruhig und fest, wie sie es gewohnt waren, zu stehen. Sie wollten nicht. Sie schienen Augen zu haben, die Gefahr zu sehen, und sprangen mit ungewöhnlicher Leichtigkeit zurück, als ob sie die Schwingungen der Luft vor dem Stoß der Bestie fühlten.
    Gallardo kehrte sein Schamgefühl über sein Mißgeschick und die Wut wegen seiner plötzlichen Schwäche gegen das Publikum. Was wollten denn diese Leute? Sollte er sich zu ihrem Vergnügen töten lassen? Er trug mehr als einen Beweis seiner Kühnheit am Körper, er brauchte seinen Mut nicht wieder aufs neue zu beweisen. Es war ein Wunder, daß er noch lebte, und er hatte dies der Gnade des Himmels, den Gebeten seiner Mutter und seiner armen Frau zu verdanken. So knapp wie er war keiner dem Tode entgangen und er wußte besser wie alle anderen, was es hieß, zu leben. Er wollte nun, wie so viele seiner Kameraden es taten, den Beruf ausüben, einmal gut, das andere Mal schlecht. Auch der Stierkampf ist nur ein Geschäft und hat man einmal den Anfang gemacht, so handelt es sich darum, am Leben zu bleiben und sich so gut als möglich aus der Affäre zu ziehen. Er wollte sich nicht zum Vergnügen der Leute aufspießen lassen, um dann einen ehrenvollen Nachruf zu erhalten.
    Als der Augenblick kam, den zweiten Stier zu erlegen, flößten ihm diese Gedanken eine ruhige Zuversicht ein. Er würde sein Möglichstes machen, um sich nicht dem Bereich seiner Hörner auszusetzen.
    Als er sich dem Stiere näherte, trug er wieder die Geste seiner großen Zeit zur Schau, als er dem Nacional sein: »Zurück!« entgegenrief.
    Die Menge ließ ein Murmeln der Anerkennung vernehmen. Er hatte seine Leute weggeschafft, nun würde er wieder seine alte Tollkühnheit zeigen.
    Doch die Erwartungen der Zuschauer wurden gleich am Beginn enttäuscht, da sich der Nacional nicht abhalten ließ, mit dem Mantel auf dem Arm seinem Herrn zu folgen, dessen theatralische Pose er wohl durchschaut hatte.
    Gallardo streckte die Muleta nach vorwärts, hielt sich aber dabei in ziemlicher Entfernung von dem Stier und versicherte sich dabei der Hilfe seines Banderillos.
    Als er einen Augenblick mit gesenkter Muleta dastand, machte der Stier eine Bewegung, als wenn er ihn angreifen wollte, ohne jedoch die Absicht auszuführen. Der Espada ließ sich durch diese Bewegung täuschen und sprang mit Riesenschritten vorschnell zurück, ohne daß ihn das Tier angegangen wäre. Die Nutzlosigkeit dieses Rückzuges wahrnehmend, blieb er verdutzt stehen und ein Teil des Publikums lachte, während die anderen Ausrufe des Erstaunens hören ließen. Man vernahm sogar Pfiffe und höhnische Zurufe.
    Gallardo wurde rot vor Zorn. Das mußte ihm und noch dazu in Sevilla passieren. Er fühlte das Draufgängertum seiner ersten Jahre, das blinde Verlangen, sich auf den Stier zu werfen und das Weitere dem Geschicke zu überlassen. Aber sein Körper verweigerte ihm den Gehorsam. Sein Arm schien schwer zu werden, seine Beine zögerten, den Forderungen seines Willens nachzukommen.
    Doch das Publikum, das seine Aufwallung bedauerte, kam ihm zu Hilfe und gebot Schweigen. Wie konnte man nur einen Mann, der noch Rekonvaleszent nach einer derart schweren Verletzung war, so behandeln. Das war Sevillas unwürdig. Ruhe also!
    Gallardo benützte diese Stimmung der Zuschauer, um sich seiner Aufgabe zu entledigen. Er näherte sich seitwärts dem Stiere und stieß ihm heimtückisch den Degen in die Seite. Wie vom Schlage getroffen stürzte der Stier zu Boden, während ihm ein Blutstrom aus dem Mund quoll. Einige applaudierten, ohne zu wissen warum, andere pfiffen, die Mehrheit dagegen blieb stumm.
    Als Gallardo den Zirkus verließ, bemerkte er das Schweigen der Menge. Gruppen zogen an ihm vorbei, ohne ihn zu grüßen, ohne ihm wie sonst nach glücklich bestandenen Stierkämpfen zuzujubeln. Auch die Schar der Neugierigen, die draußen auf den Nacional warteten und noch vor Schluß der Veranstaltung von allen Einzelheiten unterrichtet waren, ließ seinen Wagen, ohne ihn wie sonst zu begleiten, vorüberziehen.
    Gallardo verkostete zum erstenmale die Bitterkeit des Mißerfolges. Sogar seine Banderillos waren verdrossen und schweigsam wie Soldaten auf dem Rückzuge. Doch als der Torero zuhause seine Mutter umarmte, Carmens Freude sah und die weichen Wangen der Kinder küßte, da fühlte er, wie diese Traurigkeit verschwand. Zum Teufel mit allen Skrupeln! Die

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