Die blutige Arena
Stoß war gut gezielt«, riefen seine Anhänger auf den Degen deutend und applaudierten eifrig, um mit dem Lärm der Kundgebung ihre geringe Zahl zu verdecken.
Die Kenner lächelten geringschätzig. Der Bursche da unten war im Begriffe, das Einzige zu verlieren, was ihn noch auszeichnete: Seine Unerschrockenheit, sein wildes Draufgehen. Sie hatten wohl bemerkt, wie er im Augenblicke, als er den Stier traf, instinktiv den Arm zurückzog und sein Antlitz mit jener Bewegung der Furcht, welche die Leute im Augenblicke der Gefahr wegblicken läßt, zur Seite wandte.
Der Degen rollte auf den Boden hin und Gallardo, der einen anderen genommen hatte, eilte, von seinen Leuten begleitet, hinter dem Stiere her. Der Mantel des Nacional war bereit, sich neben ihm zu entfalten, um das Tier auf sich zu ziehen. Außerdem machte das Geschrei des Banderillo den Stier ganz verwirrt und bewirkte, daß er von Gallardo abließ.
Ein zweiter Degenstoß hatte denselben Erfolg, die Klinge drang kaum bis zur Hälfte in den Körper ein. Die Zuschauer begannen zu protestieren und Gallardo öffnete, vor dem Stiere stehend, kreuzweise die Arme, um dadurch dem Publikum anzuzeigen, daß das Tier mit diesem Stoße erledigt sei und jeden Augenblick stürzen werde. Doch der Stier blieb auf den Füßen und bewegte den Schädel hin und her.Der Nacional brachte ihn durch das Spiel mit dem Mantel wieder in Lauf und schlug ihn dabei, so stark er konnte, auf den Hals. Das Publikum, das seine Absicht erriet, begann zu protestieren. Er ließ den Stier laufen, damit sich der Degen durch die Erschütterung stärker einbohre. Seine Schläge sollten die Waffe tiefer hineinstoßen. Man schrie ihm Schimpfworte zu, überall auf den Tribünen schwenkte man drohend die Stöcke, Orangen und Flaschen flogen gegen ihn in die Arena. Doch teilnahmslos, als wäre er blind und taub, ertrug er diesen Hagel von Beschimpfungen und Wurfgeschoßen und trieb mit der Befriedigung eines Mannes, der seine Pflicht tut und einen Freund rettet, den Bullen weiter durch die Arena.
Plötzlich stieß der Stier einen Blutstrom aus dem Maul aus, ließ sich auf die Knie nieder und blieb so unbeweglich, hielt jedoch das Haupt hoch, bereit, sich zu erheben und anzugreifen. Ein Stierfechter, dessen Aufgabe es war, den verletzten Tieren den Gnadenstoß zu geben, näherte sich, um dieser für Gallardo peinlichen Szene ein Ende zu machen. Der Nacional half ihm dabei, indem er verstohlen den Degen bis zum Griff hineindrückte.
Die Zuschauer der Sonnenseite sprangen voll Entrüstung auf, als sie diese Bewegung des Banderillo bemerkt hatten.
»Räuber, Mörder.«
Sie ereiferten sich für das arme Tier. Sie drohten dem Nacional mit den Fäusten, als hätte er ein Verbrechen begangen, und der Banderillo eilte schließlich gesenkten Blickes aus der Arena.
Gallardo war inzwischen zur Präsidentenloge gegangen,um seinen Gruß abzustatten und seine bedingungslosen Anhänger begleiteten ihn mit umso lauterem Beifall, je kleiner die Schar war.
»Er hat kein Glück gehabt,« sagten sie mit unerschütterlichem Glauben, »doch die Stöße waren gut gezielt, keiner kann es bestreiten.«
Der Espada lehnte sich einen Augenblick an die Brüstung der Tribüne, auf der seine Anhänger saßen. Er gab ihnen Erklärungen über sein Verhalten. Der Stier taugte nichts, er hatte keine Möglichkeit gehabt, mit ihm etwas anzufangen.
Seine Freunde, Don José vor allen, bestätigten diese Erklärungen, welche sich mit den ihrigen deckten.
Gallardo blieb den größten Teil der Corrida im Schutze der Barriere. Solche Entschuldigungen konnten vielleicht seine Anhänger befriedigen, doch er fühlte in seinem Innern einen grausamen Zweifel, ein Mißtrauen gegen sich, das er niemals gekannt hatte. Die Stiere erschienen ihm größer, mit einer bisher ungekannten Lebenskraft begabt, die dem Tode einen stärkeren Widerstand entgegensetzte. Früher fielen sie unter seinem Degen mit einer wunderbaren Leichtigkeit. Zweifellos hatte man für ihn das schlechteste Vieh ausgewählt, um ihm einen Mißerfolg zu bereiten. Wieder Intrigen seiner Feinde!
Ein anderer Gedanke stieg langsam aus diesen widerstreitenden Gefühlen auf, doch er wollte ihn nicht aufkommen lassen. Sein Arm kam ihm kürzer vor, wenn er den Degen nach vorwärts stieß. Früher traf er den Hals mit Blitzesschnelle, jetzt schien ihm der Zwischenraum unerträglichlang und er wußte nicht, wie er sich dieses Gefühles erwehren sollte. Auch seine Füße gehorchten ihm
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