Die blutige Arena
Doña Sol war die erste, die das Wort ergriff.
Sie plauderte mit kalter Freundlichkeit: Sie erinnere sich dunkel an eine schwere Verletzung, die er erlitten habe. Sie glaube sicher zu sein, ihm nach Sevilla mit der Bitte um Nachricht telegraphiert zu haben. Bei ihrer wechselvollen unbeständigen, von einem Aufenthalte zum anderen eilenden Lebensweise bringe sie alle Erinnerungen durcheinander ... Doch sehe sie, daß die Verwundung keine Folgen hinterlassen habe, denn auch im Zirkus sei er ihr selbstbewußt und stark, wenngleich etwas zurückhaltend vorgekommen.
Gallardo ärgerte sich über den gleichgültigen Ton, mit dem sie ihm das alles erzählte. Und er hatte zwischen Tod und Leben nur an sie gedacht ... In seiner Erbitterung erzählte er ihr ausführlich die Einzelheiten des ihm zugestoßenen Unglückes und seiner Rekonvaleszenz, die den ganzen Winter gedauert hatte.
Sie hörte ihm mit anscheinendem Interesse zu, während ihre Augen ihre Teilnahmslosigkeit verrieten. Was ging sie noch der Unfall dieses Stierfechters an? ... Das waren Widrigkeiten seines Berufes, die er mit sich allein ausmachen mußte.
Und als Gallardo so von seiner Genesung sprach, sah er plötzlich, durch die Kette der Erinnerungen daran gemahnt, das Bild eines Mannes in seinem Gedächtnis aufsteigen, den sie beide gekannt hatten.
»Erinnern Sie sich noch an Plumitas? Man hat ihn getötet. Ich weiß nicht, ob Sie es erfahren haben.«
Doch Doña Sol erinnerte sich dunkel, in den Pariser Zeitungen eine diesbezügliche Notiz gelesen zu haben.
»Ein armer Teufel«, sagte Doña Sol mit Gleichgültigkeit. »Ich weiß nur, daß er ein grober, uninteressanter Bauer war. In der Ferne sieht man die Dinge erst in ihrer eigentlichen Färbung. Ich glaube, daß er eines Tages im Hofe mit uns am gleichen Tische aß.«
Auch Gallardo erinnerte sich an dieses Ereignis. Der arme Plumitas! Mit welcher Rührung hatte er die Rose aus der Hand Doña Sols empfangen ... Die Augen der schönen Frau zeigten bei dieser Mitteilung ein ehrliches Erstaunen.
»Sind Sie dessen sicher? Wirklich? Ich schwöre, daß ich nichts davon weiß. Ah, diese sonnendurchglühte Erde, dieser Reiz des Pittoresken, wozu verleitet das nicht alles!«
Ihre Worte ließen ein gewisses Bedauern erkennen. Dann begann sie zu lachen.
»Ist es möglich, Gallardo, daß dieser arme Teufel meine Blume bis zum letzten Augenblicke aufbewahrt hat? Sagen Sie nicht nein ... Es ist ja immerhin möglich, daß man auf seinem Leichnam diese vertrocknete Blume als eine geheimnisvolle Erinnerung fand, als ein Gedenken, für welches man keine Erklärung geben konnte ... Wissen Sie noch mehr darüber? Was sagten die Zeitungen? Doch nein, schweigen Sie, zerstören Sie meine Illusionen nicht. Es muß so sein, ich will es so haben. Armer Plumitas, wie interessant... Und ich hatte die Blume ganz vergessen. Ich werde das meinem Freunde erzählen, der über Spanien schreiben will.«
Der Hinweis auf diesen Freund, der innerhalb einiger Minuten das zweite Mal erwähnt wurde, machte Gallardotraurig. Er betrachtete Doña Sol unverwandt mit seinen schwarzen Augen, deren melancholische Blicke ihr Mitleid zu erflehen schienen.
»Doña Sol... Doña Sol...« murmelte er in einem verzweifelten Tone, als ob er ihr Grausamkeit vorwürfe.
»Was gibt's, mein Freund?« fragte sie lächelnd, »was ist Ihnen?«
Gallardo senkte das Haupt und blieb, eingeschüchtert durch den ironischen Ausdruck dieser lichten, im Goldglanz schimmernden Augen, schweigend stehen. Dann richtete er sich auf, wie einer, der zu einem Entschlusse gekommen ist. »Wo waren Sie die ganze Zeit, Doña Sol?« »Auf Reisen«, erwiderte Sie einfach. »Ich bin ein Zugvogel. Ich war in Städten, die Sie nicht einmal dem Namen nach kennen.«
»Und wer ist jener Fremde, der Sie vorhin begleitete?«
»Ein Freund,« sagte sie kalt, »ein Freund, der die Güte hat, mich zu begleiten und der die Gelegenheit benützt, um Spanien kennen zu lernen. Ein bedeutender Mann, der einen berühmten Namen trägt. Von hier werden wir nach Andalusien gehen, wenn er die Museen gesehen hat. Was wünschen Sie noch zu wissen?«
Aus dieser stark betonten Frage klang der gebieterische Wunsch hervor, den Torero in einem gewissen Abstand zu halten, den sozialen Unterschied zwischen ihnen aufzurichten. Gallardo wurde ganz verwirrt.
»Doña Sol«, seufzte er treuherzig, »wie Sie mit mir gespielt haben, kann Gott nicht verzeihen. Sie sind sehr böszu mir gewesen ...Warum haben Sie
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