Die blutige Arena
Und wie weit lag das jetzt alles zurück!
Von dieser Vergangenheit, an die sie mit der Reue einer Person dachte, die sich selbst lächerlich vorkommt, war nur der Bursche da vor ihr geblieben, der mit seinen bittenden Augen und seiner kindischen Beharrlichkeit diese Zeiten wieder aufleben lassen wollte. Als wenn Unüberlegtheiten sich wiederholen könnten, sobald das kalte Denken an Stelle der Illusion, dieser blendenden Verführerin in unserem Leben, tritt.
»Alles ist zu Ende,« sagte Doña Sol, »wir müssen die Vergangenheit vergessen, denn wenn wir sie auch ein zweites Mal sehen, zeigt sie sich uns nicht mehr in denselben Farben. Ich sehe Spanien nach meiner Rückkehr mit anderen Augen. Auch Sie sind nicht mehr so, wie ich Sie kannte. Als ich Sie neulich in dem Zirkus sah, kam es mir sogar vor, daß Sie weniger draufgängerisch waren, daß die Zuschauer kühler blieben.«
Sie sagte dies ohne jeden Hintergedanken. Aber Gallardo glaubte in ihren Worten einen gewissen Hohn zu vernehmen und er senkte den Kopf, während sich seine Wangen röteten.
»Verflucht!« Alle seine quälenden Gedanken wurden wieder lebendig. Sein ganzes Pech, das ihn verfolgte, rührte davon her, daß er nicht nahe genug an die Stiere heranging. Sie sagte es ganz offen. Für sie war er beinahe ein anderer geworden. Wenn er wieder der Gallardo von früher sein könnte, würde sie ihn besser aufnehmen. Die Frauen fliegen nur auf die Starken und Mutigen.
Und der Torero wiegte sich in diese Hoffnungen ein und hielt das, was in Wirklichkeit schon eine längst erstorbene Laune war, für eine momentane Ablenkung, der er durch seine Kraftstücke wieder Herr zu werden glaubte.
Doña Sol erhob sich. Der Besuch hatte schon lange genug gedauert und der Torero schien noch immer nicht geneigt zu sein fortzugehen, zufrieden, in ihrer Nähe zu bleiben und auf einen glücklichen Zufall hoffend, der sie wieder zu ihm führte.
Gallardo mußte endlich verstehen. Sie entschuldigte sich mit der Notwendigkeit, ausgehen zu müssen. Sie erwarteteihren Freund, mit dem sie das Museum del Prado besuchen wollte.
Sie lud ihn dann für einen der nächsten Tage zum Mittagmahl ein. Es würde ein gemütliches Essen in ihrer Wohnung sein, ihr Begleiter wolle ebenfalls kommen. Er würde sich freuen, einen Torero zu sehen. Er spreche zwar schlecht spanisch, doch würde es ihm großes Vergnügen bereiten, Gallardo kennen zu lernen.
Der Espada drückte unter einem unverständlichen Gemurmel ihre Hand und verließ das Hotel. Der Zorn verdüsterte sein Gesicht, die Ohren summten ihm. So also entließ sie ihn, wie einen ungelegenen Bekannten. Und das war die gleiche Frau, die er in Sevilla ... Sie lud ihn zum Essen ein, damit ihr Freund einen Spaß habe und ihn wie ein seltenes Tier begaffen könne. Verdammt, dazu war er sich zu gut. Auch er hatte Schluß gemacht. Er würde sie nicht mehr aufsuchen.
IX
In diesen Tagen empfing Gallardo zahlreiche Karten von Don José und Carmen.
Der Vertreter wollte seinem Torero Mut machen, wenn er ihm riet, den Stier wie immer gerade anzugehen. Doch trotz seiner Zuversicht zeigte sich eine gewisse Zaghaftigkeit, als würde sein Glauben ins Wanken kommen und Gallardo nicht mehr »der einzige Torero seiner Zunft« sein.
Er war von der Unzufriedenheit und der feindseligen Stimmung des Publikums Gallardo gegenüber unterrichtet. Die letzte Corrida hatte Don José entmutigt. Gallardo war nicht einer jener Stierkämpfer, welche unter den Pfiffen der Zuschauer ihre Arbeit verrichten und zufrieden sind, ihr Geld zu verdienen. Er hielt auf Ehre und konnte sich nur in der Arena zeigen, wenn ihn Applaus empfing. Mittelmäßig zu sein bedeutete für ihn den Abstieg. Die Leute waren gewohnt, ihn wegen seiner Tollkühnheiten zu bewundern, und wenn er in dieser Beurteilung Einbuße erlitt, würde er erledigt sein.
Don José schrieb, er wisse wohl, was Gallardo fehle. Mangel an Mut? Nein, keineswegs. Er ließe sich eher töten, als bei seinem Helden so einen Defekt vorauszusetzen. Er fühle sich noch müde, er sei von seiner Verletzung noch nicht hergestellt. »Und deshalb«, riet er in allen seinen Briefen, »ist es besser, noch eine Zeitlang auszuspannenund Erholung zu suchen. Dann fange wieder an und du wirst der alte sein.« Er versprach, ihm alles zu regeln. Ein ärztliches Zeugnis würde seine momentane Berufsunfähigkeit bestätigen und er würde die noch schwebenden Kontrakte dadurch lösen, indem er statt Gallardo einen anderen Torero zur
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