Die blutige Arena
Miene und unerschrockene Augen die Genugtuung über ihre starke Männlichkeit auszudrücken schienen, erzählten dem Torero fröhlich und guter Laune von ihren Abenteuern.
Sie pflegten an sonnigen Vormittagen, zur Zeit, in der die Gouvernanten mit ihren Kleinen spazieren gingen, die Castellanastraße auf- und abzugehen. Sie trafen dort englische Misses oder deutsche Fräuleins, welche erst unlängst mit einem Kopf voll phantastischer Vorstellungen in dieses legendenhafte Land gekommen waren. Sobald sie einen Burschen mit rasiertem Gesicht und einem Filzhut sahen, hielten sie ihn sofort für einen Torero.
Andere schlössen sich an Fremde, Tänzerinnen oder Sängerinnen an, welche nach ihrer Ankunft in Spanien gleich am ersten Tage einen Torero haben wollten. Es waren Französinnen, Deutsche oder Italienerinnen, und diese Pseudotoreros lachten, wenn sie ihrer ersten Zusammenkünfte mitihren Bewunderinnen gedachten. Die Fremde fürchtete immer, getäuscht zu werden und zu sehen, daß ihr erträumter Held nur ein Mann wie die übrigen sei. »Bist du wirklich ein Torero?« und sie griff an seinen Stierfechterzopf und lächelte voll Zufriedenheit, ihre Frage so bestätigt zu finden.
»Meister, Sie kennen diese Weiber nicht! Sie streicheln und küssen die ganze Nacht den Zopf, als hätte einer nichts anderes zu tun ... Und diese Launen. Eine springt aus dem Bette bis in die Mitte des Zimmers und läßt sich an ihrem Körper zeigen, wie man die Stöße bei einem Stierkampf ausführt. Andere wollen wieder einen Stierfechtermantel mit Goldstickerei haben, als wenn man den so leicht wie eine Zeitung kaufen könnte.«
Der junge Torero versprach ihr natürlich den Mantel, denn die Stierfechter sind ja alle reich. Und bis zum Eintreffen des reichen Geschenkes war er darauf bedacht, die Beziehungen inniger zu gestalten. Er lieh sich von seiner Freundin Geld aus, doch wenn sie keines hatte, verpfändete er einen Schmuck. Und wenn sie dann aus ihrem Liebestraum zu erwachen schien und sich solche Freiheiten verbat, da zeigte ihr der gute Kerl noch durch eine Tracht Schläge, wie groß seine Leidenschaft zu ihr war.
Gallardo freute sich über diese Erzählung, hauptsächlich aber über den letzten Punkt.
»Ja, so ist's recht«, sagte er mit wilder Ausgelassenheit. »Nur nicht sanft mit diesen Weibern umgehen. Du kennst sie. So werden sie dir umsomehr nachlaufen. Das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, wenn man gewissen Frauen schön tut. Der Mann muß sich Respekt verschaffen.«
Er bewunderte die Skrupellosigkeit dieser Burschen, welche davon lebten, die Illusionen fremder Frauen auszunützen, und beklagte sich selbst beim Gedanken an die eine, welche ihn derart an der Kette geführt hatte.
Als der Spada eines Abends in die Alcalastraße einbog, trat er vor Überraschung einen Schritt zurück. Eine blonde Dame stieg vor dem Hotel de Paris aus dem Wagen ... Doña Sol. Ein Herr, anscheinend ein Ausländer, reichte ihr die Hand und half ihr beim Aussteigen. Nachdem er einige Worte mit ihr gewechselt hatte, entfernte er sich, während sie das Hotel betrat.
Es war Doña Sol, der Torero war seiner Sache sicher, ebenso sicher erkannte er auch die Beziehungen, die sie mit jenem Fremden verbinden mußten, da er ihre Blicke und das Lächeln gesehen hatte, als ihr Begleiter wegging. So hatte sie einst ihn betrachtet und angelächelt, als sie noch in jener glücklichen Zeit die einsamen Ebenen durchritten, auf denen der sanfte, rote Schein der untergehenden Sonne lag.
In übler Stimmung verbrachte er mit einigen Freunden die Nacht. Dann schlief er schlecht, denn er durchlebte noch einmal viele Szenen jener vergangenen Tage. Als er sich erhob, stahl sich das fahle und blasse Licht eines trüben Tages durch die Vorhänge. Es regnete und Schnee mischte sich unter die Tropfen. Alles war schwarz, der Himmel, die gegenüberliegenden Mauern, das triefende Pflaster der Straße, die Kutschen, deren Dächer wie Spiegel glänzten, und die vorübereilenden Kuppeln der Regenschirme.
Es schlug elf Uhr. Wenn er Dona Sol besuchte? In der Nacht hatte er diesen Gedanken voll Unwillen verworfen.Das hieße ja sich herabwürdigen. Sie war ohne jede Erklärung verschwunden und hatte sich dann, als sie ihn zwischen Leben und Tod wußte, kaum um ihn gekümmert. Ein kurzes Telegramm am Anfang und dann nichts mehr. Nicht einmal eine armselige Karte, obwohl sie doch sonst so leicht an ihre Bekannten schrieb. Nein, er wollte nicht gehen, sein Stolz erlaubte
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