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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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es nicht.
    Doch in der Frühe schien sein fester Vorsatz ins Wanken zu geraten. »Warum nicht?«, fragte er sich. Er mußte sie noch einmal sehen. Sie blieb für ihn die einzige Frau, welche er nicht vergessen konnte. Sie zog ihn mit ganz anderer Kraft an, als es je das Gefühl vermocht hatte, das ihn zu anderen Frauen trieb. »Ich komme nicht los von ihr«, sagte sich der Torero in der Erkenntnis seiner Schwäche. Ah, wie hatte er unter der grausamen Trennung gelitten.
    Der unglückliche Ausgang der Corrida in Sevilla, seine Schwäche und die neuerliche Annäherung an Carmen hatten ihn dazu gebracht, sich mit seinem Geschicke abzufinden. Aber vergessen konnte er nicht. Er gab sich Mühe, die Vergangenheit auszulöschen, aber der geringfügigste Umstand, der Anblick einer Straße, durch welche er mit der schönen Reiterin galoppiert war, die zufällige Begegnung mit einer blonden Engländerin, der Verkehr mit all jenen Herren von Sevilla, welche sozusagen seine Verwandten waren, all das ließ das Bild der Dona Sol immer wieder erstehen. Ah, diese Frau ... Niemals würde er mehr eine zweite wie sie finden. Als er sie verlor, glaubte Gallardo, einige Stufen von seiner gesellschaftlichen Einschätzung herabgeglitten zu sein. Ja, er schrieb diesem Abschied sogar seine Mißerfolgezu. So lange er sie besaß, war er unüberwindlich. Doch als die »Rote« ihn verließ, hatte sich das Unglück an den Torero geheftet. Würde sie zurückkehren, dann könnte er auch ohne Zweifel das Glück wieder an sich ketten. Sein in den Wahnideen des Aberglaubens hin und her schwankendes Gemüt war fest davon überzeugt.
    Diesmal hielt er den Wunsch, sie wiederzusehen, für einen jener glücklichen Entschlüsse, die ihm in der Arena schon oft Erfolg gebracht hatten. Vielleicht gelang es ihm wieder, Doña Sol zu gewinnen. Er bildete sich etwas auf seine Erscheinung ein. Die schnellen Triumphe bei Frauen bestärkten ihn in dem Glauben an die Unwiderstehlichkeit seiner Person. Es war nicht unmöglich, daß Doña Sol nach so langer Abwesenheit ihn wieder zu sich rief. Er hoffte, daß sich die Szene im Palaste von Sevilla wiederholen könne.
    Und im Vertrauen auf seinen Glücksstern ging Gallardo in der anmaßenden Sicherheit eines Mannes, der sein Ziel erreichen will, in das Hotel de Paris, das ganz in der Nähe seines Quartiers lag.
    Er mußte über eine halbe Stunde in der Halle warten, während ihn die Diener und Gäste, welche seinen Namen kannten, neugierig anschauten. Ein Bediensteter begleitete ihn zum Aufzug und führte ihn in einen kleinen Salon des ersten Stockes, durch dessen Balkonfenster man die schwarzen Häuser der Puerta del Sol und das glänzende Asphalt des Platzes sah, über den schnelle Kutschen dahinrollten, als würde sie der Regen fortpeitschen, während die Wagen der Straßenbahn unter dem warnenden Läuten ihrer Glocken dem Laufe der Geleise folgten.
    Eine Tapetentür öffnete sich und Don(!)a Sol erschien. Die Seide rauschte um ihren Körper, aus dem ein starker Duft vom frischen und rosigen Fleisch aufstieg, das im Glanz ihrer reifen Schönheit prangte.
    Gallardo betrachtete sie mit dem Entzücken eines Kenners, der keine Einzelheit vergißt. Ganz so wie in Sevilla ... Nein, noch schöner mit dem verführerischen Reiz nach einer langen Abwesenheit.
    Sie trug die gleiche exotische Tunika und ihren eigenartigen Schmuck, den Gallardo seinerzeit bewundert hatte, als er sie zum ersten Male in ihrem Hause in Sevilla sah. Die Füße staken in goldgestickten Pantoffeln, welche, als sie beim Niedersetzen die Beine kreuzte, jeden Augenblick herabzufallen drohten. Sie streckte ihm die Hand entgegen, während sie mit kalter Liebenswürdigkeit lächelte.
    »Wie geht es Ihnen, Gallardo? Ich wußte, daß Sie in Madrid sind, ich habe Sie gesehen.«
    Sie duzte ihn nicht mehr wie sie es früher getan hatte. Dieses »Sie«, welches beide ebenbürtig zu machen schien, entmutigte den Torero. Er hoffte, frühere Rechte erlangen zu können, und sah sich nun mit der kalten, höflichen Behandlung empfangen, die einem gewöhnlichen Bekannten zu Teil wird.
    Don(!)a Sol erklärte ihm, daß sie Gallardo bei der letzten Corrida in Madrid gesehen habe. Sie sei mit einem Freunde, einem Ausländer, der dieses Schauspiel kennen lernen wollte, im Zirkus gewesen.
    Gallardo bestätigte ihre Worte mit einem Kopfnicken. Er kannte den Fremden, er hatte ihn mit ihr gesehen. Einlanges Schweigen verging, ohne daß sie wußten, wie sie es abkürzen sollten.

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