Die blutige Arena
weinerlichen Bitten oft zum Lachen brachten. Und wenn eine hübsche Frau aus dem Volke zu ihm käme – es geschahmanchmal, daß sich ein solcher Besuch verstohlen zu ihm schlich – würde er nicht mehr im Stande sein, sie mit einem Paar Ohrgehänge aus Gold und Silber zu überraschen, noch könnte er sich den Spaß machen, ihr Halstuch mit Wein zu beschütten, um sie dann mit einem besseren zu beschenken. So hatte er gelebt und so mußte er weiterleben, wollte er der traditionelle Vertreter seines Standes bleiben, wie sich die Leute einen Stierfechter vorstellten, prunkliebend, prahlerisch, mit seiner Verschwendung den Neid und das Gerede der Mitwelt erregend, bereit, den Unglücklichen mit fürstlichen Geschenken zu helfen, wenn sie sein rauhes Gemüt bewegen konnten.
Dann dachte er an die Bedürfnisse seines eigenen Hauses, wo alle an das sorglose, unbekümmerte Leben der reichen Familie, die sich nicht mit Geldfragen abzugeben braucht, gewöhnt waren. Neben seiner Mutter und seiner Frau mußte er noch für andere den Lebensunterhalt bestreiten. Denn sein geschwätziger Schwager verdiente nichts, als wenn ihm seine Verwandtschaft mit dem berühmten Manne das Recht gäbe, zu feiern. Dann waren noch die Kleinen da, die heranwuchsen und immer mehr Geld kosteten. Und er wollte diesen Leuten, die gewohnt waren, auf seine Kosten sorglos zu leben, Sparsamkeit und Einschränkung predigen? Würde er seinen Beruf aufgeben, dann müßten alle, sogar der arme Garabato, auf den Hof kommen, sich in der Sonne braten lassen und wie Bauern arbeiten. Die alte Mutter könnte sich nicht mehr ihre letzten Tage mit den gewohnten Spenden an kranke, arme Frauen verschönern und wie ein verlegenes Mädchen Ausreden ersinnen, wenn ihr Sohn mit scheinbaremZorn konstatierte, daß sie nichts mehr von den 100 Duros besaß, die er ihr vor zwei Wochen gegeben hatte. Und Carmen, welche sparsamer als die übrigen war, müßte als erste durch persönliche Opfer die Ausgaben einschränken und sich manches versagen, was sie für ihre eigenen Bedürfnisse brauchte.
Zum Teufel mit diesen Gedanken! Sie bedeuteten eine Degradation für die Familie, eine traurige Zukunft für die Seinigen. Gallardo schämte sich darüber, daß so etwas eintreten könnte. Es war ein Verbrechen, sie dessen zu berauben, was sie hatten, nachdem er sie so an das Wohlleben gewöhnt hatte. Und was mußte er tun, um all das zu vermeiden? Nichts weiter, als sich den Stieren zu nähern. Nun gut, er wollte es tun. Er beantwortete die Briefe seines Vertreters und seiner Frau mit kurzen Erklärungen, die seine feste Absicht kundgaben, sich nicht zurückzuziehen.
Er wollte wieder der alte werden, er schwor es Don José. Er versprach, seinem Rat zu folgen: Ein Stoß und der Stier ist erledigt. Der Mut schwoll ihm und in dieser Stimmung war er fähig, es mit allen Stieren, ob großen oder kleinen, aufzunehmen.
Seiner Frau schrieb er freundlich, obwohl mit dem Ton gekränkter Eigenliebe, da sie an seiner Kraft zu zweifeln schien. Sie würde von der nächsten Veranstaltung schon andere Nachrichten vernehmen. Er wollte das Publikum in Erstaunen setzen, damit es ihm sein ungerechtes Verhalten abbitte. Wenn er entsprechende Stiere fände, würde er alle anderen Toreros übertreffen. Die entsprechenden Stiere! Das war jetzt die Sorge Gallardos. Früher war es sein Stolz, sich um sie nicht zu kümmern, er war niemals vordem Auftreten in den Zirkus gekommen, um sie zu sehen. »Ich erlege jeden, den man mir entgegenstellt«, sagte er anmaßend.
Und er lernte die Stiere erst kennen, wenn sie in die Arena sprangen.
Jetzt aber suchte er sie früher zu beobachten, sie auszuwählen und sich durch ein genaues Studium ihres Wesens auf den Kampf vorzubereiten.
Der Himmel hatte sich aufgeheitert, die Sonne schien wieder. Am nächsten Tage sollte die zweite Veranstaltung stattfinden.
Gallardo ging gegen Abend allein in den Zirkus, der sich mit seinem roten Ziegelbau, seinen arabischen Fenstern von dem Hintergrund grüner Hügel abhob.
Als der Torero durch den Eingang schritt, bemerkte er im Hofe eine Gruppe von Herren, die den Proben der Lanzenreiter zusahen. Potaje, der große Sporen an seinen Füßen trug, schickte sich an, mit einer Picke in den Sattel zu steigen. Die Stallburschen hörten dem Eigentümer der Pferde zu. Es war ein fettleibiger, wortkarger Mann, der die überstürzten und beleidigenden Zurufe der Lanzenreiter mit ruhiger Stimme beantwortete.
Die Stallburschen zogen die
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