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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Ohrfeigen und Stockschläge der Mutter hinnehmen. Doch unser Held ertrug dies alles, nur um seine tägliche Nahrung zu haben. »Schlag mich, aber gib mir zu essen.« Und mit dem Heißhunger, den er durch sein Herumtollen heimtrug, schlang er das harte Brot, die schlechten Fisolen, den faulen Stockfisch, kurz all die elende Nahrung, welche die Mutter für weniges Geld gekauft hatte, hinunter.
    Infolge ihrer Beschäftigung als Scheuerfrau in fremden Häusern konnte sich Frau Angustias nur von Zeit zu Zeit um ihren Sohn kümmern und sich bei seinem Lehrherrn um die Fortschritte in dem Schusterhandwerke erkundigen. Wenn sie aus dem Laden ging, da erstickte sie fast vor Zorn und nahm sich vor, den Tunichtgut durch die schwersten Strafen auf den richtigen Weg zurückzuführen. Denn Juan verbrachte den größten Teil des Tages anderswo, nur nicht im Laden. In der Früh lief er in den Rinderhof, nachmittags wartete er mit anderen Tagdieben in der Sierpesstraße, um die Toreros zu bewundern, welche sich in ihrer freien Zeit in der Campanatrafen. Juan betrachtete sie als höhere Wesen und beneidete sie um ihren Anstand und ihre Kühnheit, mit der sie den Frauen den Hof machten. Der Gedanke, daß sie alle zu Hause ein goldgesticktes, seidenes Prunkgewand hatten, welches sie vor der Menge unter den Klängen der Musik zur Schau tragen durften, verursachte ihm einen Schauer der Ehrfurcht.
    Der Sohn der Frau Angustias führte unter seinen zerlumpten Freunden den Namen »Schusterbub« und war zufrieden, einen Spitznamen zu haben, gleich jenen großen Männern, welche die Arena betraten. Er trug um den Hals ein rotes Tuch, das er seiner Schwester genommen hatte, und das Haar unter der Mütze wellte sich in dichten Locken, welche er sich mit Speichel über die Ohren strich. Die Drillbluse fiel in Falten bis zur Hüfte, die Hose, ein altes Stück von seinem Vater, das ihm die Mutter zurechtgemacht hatte, mußte ihm bis über die Taille hinaufreichen und er weinte vor Wut, wenn sich seine Mutter diesen Forderungen nicht fügen wollte. Und nun der Mantel! Es war sein Traum, einen Stierkämpfermantel zu besitzen, ohne die anderen erst bitten zu müssen, dies so sehnsüchtig erstrebte Stück für einige Minuten herleihen zu wollen. In einem Winkel des Hauses lag eine alte, vergessene Matratze, deren Roßhaar die Mutter in Tagen der Not verkauft hatte. Der Junge versteckte sich eines Morgens im Haus und benützte die Abwesenheit Angustias, welche an diesem Tage im Hause eines Kanonikus arbeitete, um einen lang gehegten Plan auszuführen. Mit der Erfindungsgabe eines Schiffbrüchigen, der auf sich allein angewiesen ist und alles auf seiner einsamen Insel selbsterzeugen muß, schnitt er sich aus der feuchten und zerfallenen Leinwand einen Mantel heraus. Dann sott er in einem Topf eine Hand voll Anilinfarben auf, welche er in einer Drogerie gekauft hatte, und steckte den alten Überzug in diese Flüssigkeit hinein. Voll Stolz betrachtete er sein Werk. Da hatte er nun einen scharlachroten Mantel, der den Neid aller anderen Kameraden erwecken mußte. Nun hieß es ihn noch trocknen und daher hängte er sein Meisterstück unter die Wäsche der Nachbarn. Als aber der Wind durch die Leinwandstücke fuhr und sie durcheinander brachte, da färbte der feuchte Mantel die anderen Stücke rot und ein Schwall wüster Drohungen erhob sich zugleich mit geballten Fäusten gegen unseren Stierkämpfer, der mit dem Mantel eilig flüchten mußte und mit seinem roten Gesichte, seinen befleckten Händen einem Mörder glich.
    Seine Mutter Angustias, eine starke, dicke, schnurrbärtige Frau, welche sich vor keinem Manne fürchtete und sogar den Frauen durch ihre energischen Entschlüsse imponierte, zeigte sich dem Jungen gegenüber machtlos. Was sollte sie tun? Ihre Hände hatten sich schon an jedem Teil seines Körpers versucht, die Besenstiele zerbrachen ohne jeden Erfolg. Der Junge schüttelte, wie sie sagte, die Schläge wie ein Hund ab. Nach den furchtbaren Stößen der Hörner, den schmerzhaften Püffen der Rinder, den Stockschlägen der Hirten und Viehtreiber, erschienen ihm die Schläge der Mutter als eine Fortsetzung seines äußeren Lebens, das nur innerhalb der vier Wände des Hauses in anderer Form variiert wurde. So ließ er sich denn ruhig schlagen und betrachtete diese Schläge als einen Beitrag, den er für seinen Unterhaltleistete. Kaum hatte er seinen Hunger gestillt, so eilte er aus dem Hause und freute sich der Freiheit, welche ihm Angustias, die

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