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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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können. Dort angelangt, wichen die Reiter nach einer Seite aus und ließen den Stieren freie Bahn. Gewohnt, den Leittieren zu folgen, stürzte sich die Masse im Schwünge ihres rasenden Laufes in den engen Gang, der zu den Gehegen führte.
    Die Treiber beglückwünschten sich zu dem glücklichenAusgang dieser Jagd. Nicht ein einziger Stier war ausgebrochen oder hatte ihnen Arbeit verursacht. Es waren Tiere bester Rasse und am nächsten Tage konnte man sich auf große Dinge gefaßt machen. Mit der Gewißheit, einem fesselnden Schauspiel entgegenzugehen, legten sich alle zur Ruhe. Eine Stunde später war die Umgebung des Zirkus ganz verlassen und verschwand in der Dunkelheit, während in den Ställen die Stiere sich zu ihrem letzten Schlafe anschickten.
    Am folgenden Morgen stand Gallardo zeitlich auf. Er hatte, von Alpdrücken gequält, schlecht geschlafen. Er schwor es sich, in Sevilla nicht mehr aufzutreten. In anderen Städten lebte er, ohne an seine Familie zu denken, wie ein Junggeselle in einem Hotelzimmer, wo ihm seine Umgebung nichts sagte, da sie ihm fremd war. Doch die Selbstüberwindung, sich in seinem eigenen Schlafzimmer das Galakleid anzulegen, auf Stühlen und Tischen Gegenstände zu sehen, welche ihn an Carmen erinnerten, sein Haus, das er sich selbst erbaut hatte und welches seine ganze Existenz einschloß, verlassen zu müssen, all das drückte ihn nieder und verursachte in ihm eine solche Unruhe, als würde er das erste Male die Arena betreten. Er empfand Furcht vor seinen Mitbürgern, mit welchen er immer leben mußte und deren Meinung für ihn mehr bedeutete, als der Beifall des übrigen Spaniens. Welch furchtbarer Augenblick war es doch, als er im Torerokleide in den stillen Hof hinab stiegen. Seine kleinen Verwandten kamen, durch den Glanz seiner Kleidung etwas verschüchtert, zögernd zu ihm und berührten schweigend, ohne ein Wort zu sagen, die reiche Stickerei.Seine Schwester küßte ihn mit dem Ausdruck des Entsetzens, als ginge er dem Tode entgegen und seine Mutter versteckte sich in dem finstersten Winkel. Sie wollte ihn nicht sehen, sie fühlte sich zu schwach dazu. Carmen zeigte sich mutig, doch war sie ganz bleich und preßte die vor Aufregung bläulichen Lippen aufeinander, während sie nervös die Augen bewegte, um gefaßt zu bleiben. Sobald sie ihn aber im Vorzimmer erblickte, führte sie sofort ein Tuch an die Lider, während ihr Körper unter Seufzern und Schluchzen erbebte und sie von den Frauen gehalten werden mußte, um nicht umzusinken.
    »Zum Teufel, gehen wir« sagte Gallardo, »hätte man mir nicht nachgesagt, daß ich mich vor dem hiesigen Publikum fürchte, so wäre ich in Sevilla nie aufgetreten.«
    Als er aufstand, ging er mit einer Zigarette durch das Haus und reckte sich, um zu erproben, ob seine starken Arme ihre Gelenkigkeit bewahrt hatten. In der Küche nahm er ein Glas Wein und sah nach seiner Mutter, die trotz ihres Alters und ihrer Behäbigkeit unermüdlich am Herde tätig war, den Mägden mit mütterlicher Wachsamkeit alles zuwies und den klaglosen Fortgang des Haushaltes überwachte.
    Gallardo ging frisch und voll guter Laune in den Hof. Die Vögel zwitscherten in der Stille des Morgens und sprangen in ihren goldenen Käfigen herum. Ein Meer von Licht ergoß sich über die Marmorplatten, auf denen der Torero eine schwarzgekleidete Frau neben einem Eimer knien sah. Sie scheuerte mit einem nassen Tuch die Fliesen ab, deren Farben sich unter der feuchten Liebkosungzu vertiefen schienen. Diese Frau hob den Kopf: »Guten Morgen, Herr Juan«, sagte sie mit der einschmeichelnden Vertraulichkeit, welche jeder volkstümliche Liebling zu erwecken pflegt. Und voll Bewunderung heftete sie den Blick ihres einzigen Auges auf ihn. Das andere wurde durch ein Gewirr von Narben und Falten, welche alle in die tiefliegende Augenhöhle zu laufen schienen, überdeckt.
    Juan gab keine Antwort, sondern lief hastigen Schrittes in die Küche, wo er Frau Angustias zurief:
    »Wer ist diese Einäugige, welche draußen den Hof scheuert?«
    »Wer soll sie sein, mein Sohn? Ein armer Teufel, sie hat einen Haufen Kinder zu Hause und ich habe sie genommen, weil mir die Aufwärterin krank geworden ist.«
    Der Torero fühlte sich beunruhigt und ein Ausdruck der Furcht trat in seine Augen. Er sollte hier in Sevilla vor die Stiere treten und die erste Person, die er traf, war eine Einäugige. So etwas konnte nur ihm passieren, das mußte ihm ja Unglück bringen. Oder wollte sie etwa seinen

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