Die blutige Arena
hörte, glaubte er, im Bewußtsein seiner Kraft gewachsen zu sein.
Er kannte den Boden, den er betrat, er war ihm vertraut und wirkte wie ein starkes Stimulans auf ihn. Die Rondeaus der verschiedenen Etablissements übten einen gewissen Einfluß auf sein abergläubisches Gemüt aus. Er erinnerte sich an die großen Plätze von Valencia und Barcelona mit ihrem weißen Boden, an die schwarzen Arenen der nördlichen Städte und an die rote Erde des Zirkus in Madrid. Die Arena in Sevilla unterschied sich von den anderen: Der Sand des Guadalquivir leuchtete in einem hellen Gelb, und wenn das Blut der Pferde auf ihn herabfloß, dachte Gallardo immer an die nationale Flagge, welche über dem Dache des Zirkus im Winde flatterte.
Auch der Stil der einzelnen Gebäude beeinflußte seine Vorstellungen. Die Häuser stammten aus verschiedenen Jahren, gewöhnlich waren sie in dem romanischen oder arabischen Stil neuer Kirchen gehalten, in denen alles nüchtern und farblos erscheint. An den Platz von Sevilla knüpfte sich die Erinnerung an längst vergangene Generationen und an eine Zeit, in der die Männer noch weiße Perücken trugen. Hierhatten sich die ruhmbedeckten Erfinder schwieriger Regeln, Männer, welche ihr Leben für die Vervollkommnung ihrer Kunst wagten, die starken Meister der Schule von Ronda mit ihrer ruhigen Überlegenheit, die flinken und lustigen Vertreter der sevillanischen Methode mit ihrer spielenden Beweglichkeit, welche das Publikum in Spannung hielt, bewundern lassen, und dort fühlte er sich an jenem Nachmittage, berauscht von dem Beifall der Menge, dem Glanz der Sonne, dem Stimmgewirr und dem Anblick einer weißen Mantilla über einer tiefatmenden Frauenbrust, der tollsten Kühnheit fähig.
Gallardo schien mit seinen Bravourstücken und seiner Unerschrockenheit das ganze Rondell für sich in Anspruch zu nehmen und darauf bedacht zu sein, alle Gefährten zu übertreffen, um den Beifall der Menge auf sich zu ziehen. Niemals hatten ihn seine Anhänger so groß gesehen und Don José rief bei jeder dieser Tollheiten laut, als würde er gegen unsichtbare, in der Menge verborgene Feinde losfahren: »Da leugne einer, daß er nicht alle weit übertrifft!«
Den zweiten Stier, den Gallardo zu erlegen hatte, brachte der Nacional auf seinen Befehl mit einer geschickten Wendung bis an den Fuß des Balkons, auf dem Doña Sol und der Marquis mit seinen beiden Töchtern saß.
Gallardo ging mit dem Degen und der Muleta unter den Blicken der Menge bis zur Barriere, wo er stehen blieb und die Mütze zum Gruß erhob. Dies war das Zeichen, daß er diesen Stier der Nichte des Marquis zu Ehren zu Boden bringen wollte.
Dann drehte er sich um, warf die Mütze weg und erwartete den Stier, den die Treiber mit dem Spiel des Mantelsin seine Nähe lockten. In dem Bestreben, sich nicht von dem Platze unter dem Balkone entfernen zu müssen, hielt der Torero sein Versprechen, den Stier vor den Augen der Doña Sol zu erlegen, um ihr zu zeigen, wie er die Gefahr verachtete. Jede Bewegung der Muleta wurde von Ausrufen der Begeisterung und Unruhe begleitet. Die Spitzen der Hörner berührten seine Brust, man hielt es für unmöglich, daß er sich unverletzt den Angriffen des Stieres entziehe. Doch plötzlich richtete er sich, den Degen vorstreckend auf, und bevor noch die Zuschauer Zeit fanden, ein Bravo zu rufen, stürzte er sich auf das wildgewordene Tier, mit dessen Körper er während einiger Augenblicke ein Ganzes zu bilden schien.
Als sich der Torero losmachte und dann unbeweglich auf seinem Platze stehen blieb, lief der Stier schwankenden Schrittes mit dampfenden Nüstern und heraushängender Zunge weiter. Der rote Griff des Degens hob sich kaum von dem blutigen Hals ab. Nach wenigen Sprüngen fiel das Tier zu Boden und das ganze Publikum sprang auf die Füße, als wäre es ein einziger, von einem Willen bereiter Körper, während donnernder Applaus und begeisterte Zurufe über den Platz flogen.
Der Torero grüßte vor dem Balkon, indem er Degen und Muleta senkte, während Doña Sol ihm applaudierend dankte. Und gleich darauf flog, von Zuschauer zu Zuschauer weitergegeben, das Batisttaschentuch der Dame in die Arena. Es war durch einen funkelnden Brillantring gesteckt, welcher den Dank für die Ehrung des Toreros bedeutete.
Von neuem ertönte der Beifall, diesmal über die Freigebigkeit der Spenderin, und die Aufmerksamkeit des Publikums,welche bisher dem Torero gegolten hatte, teilte sich, da viele von der Arena wegblickten
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