Die blutige Arena
Amazone sah den Grasteppich, den sie kurz vorher so bewundert hatte, dunkel vor sich liegen. Die anderen Reiter waren weit entfernt und sie spornte ihr Roß, um sie einzuholen, ohne dem Torero ein Wort zu sagen, als würde es ihr gleichgültig sein, ob er ihr folge oder nicht.
In der Karwoche kam Gallardos Familie in die Stadt zurück. Der Torero trat in der Veranstaltung der Feiertage auf. Es war das erstemal seit ihrer Bekanntschaft, daß er sich vor Doña Sol zeigte, und dieser Gedanke beschäftigte ihn derart, daß er sogar an seinem Können zu zweifeln begann. Er machte sich nichts aus einem Unfall in einer anderen Stadt, da er ja so schnell nicht auf den gleichen Platz zurückkehren würde. Aber in seiner Heimat, wo seine größten Feinde waren! ...
»Wir werden sehen, was du kannst,« sagte der Vertreter, »denke an diejenigen, die deinetwegen kommen. Ich will, daß du als Erster deiner Zunft angesehen wirst.«
Am Karsamstag wurden spät abends die für den Kampf bestimmten Tiere verladen und Doña Sol wollte in der Schar der Treiber daran teilnehmen, da sie sich von dieser nächtlichen Jagd viel Spannendes versprach. Die Stiere sollten von Tablada in die Ställe des Zirkus gebracht werden.
Trotz seines Verlangens, Doña Sol zu begleiten, hielt sich Gallardo fern. Sein Vertreter verbot es ihm mit dem Hinweis, daß er am nächsten Tage ausgeruht und im Vollbesitze seiner Kräfte sein müßte.
Um Mitternacht war der sonst einsame Weg, der von Tablada nach dem Zirkus führte, wie eine Hauptstraße belebt. Die Fenster der Häuser erhellten sich, Schatten huschten anihnen vorüber und bewegten sich nach dem Takte des Klavierspieles. Die offene Tür warf einen viereckigen Lichtschein auf den finsteren Boden, aus dem Innern ertönten Rufe, Lachen, Gitarrenspiel, Becherklang, woraus man ersehen konnte, daß dem Wein fleißig zugesprochen wurde.
Ungefähr um ein Uhr nachts kam ein Reiter auf der Straße dahergetrabt. Es war der Bote, welcher anzeigte, daß der Zug der Stiere in einer Viertelstunde vorbeikomme. Der Mann befahl den Leuten, die Lichter auszulöschen und sich ruhig zu verhalten.
Dieser Auftrag wurde mit größerer Achtsamkeit als irgend eine Verordnung der Behörde befolgt. Alle Häuser versanken in Finsternis, die Leute wurden stille und verteilten sich in Gruppen hinter Hecken und Bäumen. Alles war ruhig, als ob ein außergewöhnliches Ereignis eintreten sollte. In den Straßen verloschen nacheinander die Gaslaternen, in dem Maße, wie der Bote, der das Kommen des Zuges ankündete, tiefer in die Stadt eindrang.
Alles blieb in tiefster Stille. Die Sterne leuchteten in der Ruhe des Weltenraumes über den Wipfeln der Bäume. Drunten an der Erde vernahm man eine leichte Bewegung, ein andauerndes Summen, als würden die Schritte der Insekten im Schatten hörbar werden. Die Erwartung stieg immer mehr und mehr, bis endlich aus der Ferne durch das kühle Schweigen der Nacht tiefes Schellengeläute das Nahen einer Staffel anzeigte. Sie kamen, nun dauerte es nicht mehr lange.
Das Schellengeläute wurde immer lauter und war von einem Getrappel begleitet, welches den Boden erzittern ließ. Vorne kamen, so schnell als ihre Pferde laufen konnten,einige Reiter, welche in der Dunkelheit zu Riesen emporwuchsen. Es waren die Hirten. Hinter ihnen folgten, die spitzen Lanzen in der Hand, die Treiber, in ihrer Mitte Doña Sol, zitternd vor Nervenspannung über diesen wahnsinnigen Galopp in der Finsternis, in welcher ein falscher Tritt des Pferdes den Sturz und einen furchtbaren Tod unter den Hufen der nachstürmenden Stiere bedeutete.
Die Schellen läuteten immer wilder, der offene Mund der Zuschauer, welche die Finsternis verbarg, füllte sich mit Staub und wie ein Wirbelwind brauste die Herde vorüber. Die Dunkelheit verlieh den Tieren die Größe von Ungeheuern, welche wuchtig und leicht zugleich vorüberflogen und ihre Massen hin und herbewegten, ein gewaltiges Schnauben vernehmen ließen und mit den Hörnern nach ihren Schatten stießen, während sie durch die Rufe der hinter ihnen reitenden Hirten, durch das Getrappel der Pferde und die Picken der Reiter, welche sie am Ausbrechen hinderten, verwirrt und gereizt wurden.
In einem Augenblicke war dieser lärmende Zug vorübergestürmt, die Leute kamen aus ihren Verstecken hervor, zufrieden, nach so langem Warten dieses kurze Schauspiel erhascht zu haben und einige Enthusiasten liefen in der Hoffnung hinter den Reitern her, den Einzug in den Zirkus sehen zu
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