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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Tod?
    Eingeschüchtert durch die trübseligen Gedanken und den Zorn ihres Sohnes, suchte sich die arme Alte zu rechtfertigen. Wie konnte er nur auf solche Ideen kommen? Es war eine arme Frau, welche für ihre Kinder einen Peseta verdienen wollte. Man müsse doch ein gutes Herz haben und Gott dafür danken, daß er sie nicht vergessen und im gleichen Elend zurückgelassen habe.
    Gallardo beruhigte sich auf diese Worte. Der Hinweis auf seine früheren Entbehrungen ließ ihn gnädig mit der armen Frau sein. Sie konnte dableiben und Gottes Wille solltegeschehen. Und nach rückwärts schreitend, um ja nicht den unglücklichen Blick der Alten zu begegnen, flüchtete sich der Torero in sein Zimmer.
    Die weißen Wände, welche bis zur halben Höhe mit Porzellanfliesen getäfelt waren, trugen buntfarbige Plakate von allen möglichen Stierkämpfen in den verschiedensten Städten Spaniens. Dankschreiben erinnerten an die Veranstaltungen, bei welchen der Torero ohne Honorar zu Gunsten der Armen mitgewirkt hatte. Zahllose Bilder, die den Meister stehend und sitzend mit dem Mantel oder dem Degen zeigten, verrieten das Interesse, mit welchem die verschiedenen Zeitungen die Gebärden und die Haltung des großen Mannes vor die Öffentlichkeit brachten. Oberhalb der Tür sah man ein Bild Carmens in blauer Mantilla und Nelken im Haar. Gegenüber schien jedoch ein gewaltiger schwarzer Stierkopf mit gläsernen Augen, roten Nüstern und gewaltigen Hörnern, welche von der weißgefleckten Stirne in der hellen Farbe des Elfenbeines hervorsprangen und bis in das tiefste Schwarz übergingen, die Ordnung im Zimmer zu überwachen. Der Picador Potaje brach jedesmal in poetische Vergleiche und Bilder aus, wenn er diesen gewaltigen Schädel betrachtete: So groß und breit ausholend waren seine Hörner, daß eine Amsel auf der Spitze des einen singen konnte, ohne daß man sie auf der anderen hörte.
    Gallardo setzte sich an den eleganten, mit Bronzen bedeckten Schreibtisch, dessen Staubschichte keine häufige Inanspruchnahme dieses Möbels verriet. Das große Schreibzeug, von zwei Bronzepferden flankiert, trug ein fleckenloses Tintenfaß. Die Federhalter waren leer, denn der große Mann brauchtesich mit dem Schreiben nicht zu plagen. Don José besorgte die Kontrakte und die übrigen notwendigen Papiere, er selbst unterschrieb mit schwerer und langsamer Hand auf einem Tisch des Klubs in der Sierpesstraße.
    An einer Wand stand der Bücherkasten, durch dieses Glasfenster man imponierende Reihen von Büchern sah, die durch ihre reichen Einbände auffielen.
    Als Don José seinen Schützling mit dem Namen: »Torero der Aristokratie« zu titulieren begann, fühlte Gallardo die Notwendigkeit, dieser Auszeichnung würdig zu sein und die Lücken seiner Bildung auszufüllen, um seinen einflußreichen Gönnern keinen Anlaß zu geben, über seine Unwissenheit zu lachen, wie sie es über die anderen Gefährten seines Berufes taten. Eines Tages trat er mit entschlossener Miene in eine Buchhandlung ein.
    »Senden Sie mir für dreitausend Peseta Bücher.«
    Und als der Buchhändler unschlüssig dastand, als hätte er diesen Wunsch nicht recht begriffen, sagte der Torero energisch:
    »Bücher, verstehen Sie mich wohl, die größten Bücher! Und wenn sie es für gut halten, können sie auch vergoldet sein.«
    Gallardo war mit seiner Bibliothek sehr zufrieden. Wenn sie im Klub über etwas sprachen, was er nicht verstand, lächelte er mit dem Ausdruck des Verständnisses und sagte:
    »Das muß in den Büchern stehen, welche ich zu Hause habe.«
    An einem Regentage, welchen er wegen Unpäßlichkeit in seinem Heim verbrachte, öffnete er endlich mit einemfast ehrfurchtsvollen Gefühl seinen Bücherschrank und zog den größten Band, den er fand, heraus, als wäre es ein Gott, den er aus seinem Heiligtum ans Licht brachte. Er durchblätterte das Buch, ohne den Anfang zu lesen, und freute sich wie ein Kind über die Bilder. Er bewunderte Löwen, Elefanten, Pferde mit wilden Mähnen und feurigen Augen, Esel mit farbigen Streifen, als hätte man sie mit dem Lineal gezogen. Lustig und guten Mutes wollte sich der Torero weiter in die Gelehrsamkeit vertiefen, als er plötzlich das Bild einer Schlange vor sich sah. Eine Otter, die Unglücksotter! Hastig schloß er die Mittelfinger seiner Hand und streckte den Daumen und den kleinen Finger wie Hörner aus, um dem Unglück zu steuern. Er wollte weiter blättern, aber alle Zeichnungen zeigten abscheuliche Reptilien, sodaß er

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