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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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schließlich das Buch wieder mit zitternder Hand zurückstellte. Seit diesem Tage blieb der Schlüssel des Bücherkastens in der Schreibtischlade unter Zeitungen und Karten vergraben, ohne daß sich jemand seiner erinnerte. Der Torero fühlte kein Bedürfnis zu lesen. Wenn seine Freunde mit irgend einer Zeitung kamen, die Angriffe gegen seine Rivalen enthielt, so gab Gallardo das Blatt seinem Schwager oder seiner Frau zu lesen und hörte, seine Zigarre rauchend, zu, was sie ihm berichteten: »Gut gesagt. Der Bursche schreibt ausgezeichnet.« Enthielt aber die Zeitung Angriffe gegen Gallardo, dann las sie niemand und der Torero sprach mit Verachtung von den Leuten, welche über Stiere schreiben und dabei unfähig seien, auch nur den geringsten Stoß gegen den Stier zu führen.
    Die Einsamkeit seines Zimmers vermehrte die Unruhedieses Morgens. Ohne zu wissen warum, betrachtete er den Schädel des Stieres und die Erinnerung an die bittersten Stunden seiner Laufbahn wurde in ihm lebendig. Es war die Befriedigung des Siegers, diesen Kopf sichtbar zu allen Stunden des Tages vor seinen Augen zu haben. Was hatte ihm diese Bestie in der Arena von Saragossa zu schaffen gegeben! Gallardo war auch heute noch fest überzeugt, daß dieser Stier Menschenverstand hatte. Unbeweglich und mit tückisch blitzenden Augen wartete er, daß sich der Spada näherte, ohne sich von dem roten Tuche täuschen zu lassen. Die Degenstöße glitten alle unschädlich an ihm ab, da er sie mit den Hörnern auffing. Die Zuschauer wurden bereits ungeduldig und begannen den Torero auszupfeifen oder zu beschimpfen. Gallardo umkreiste das Tier und folgte seinen Bewegungen von einem Ende des Zirkus bis zum anderen, da er wohl wußte, daß jeder Angriff von vorne seinen sicheren Tod bedeuten würde. Schweißbedeckt und müde, erfaßte er endlich eine Gelegenheit, ihn durch einen Degenstich in den Hals zu Boden zu strecken, während das Publikum in seiner Entrüstung Flaschen und Orangen nach ihm schleuderte. Für Gallardo bedeutete diese Erinnerung eine Schande, ja er glaubte, daß ihm sein längeres Verweilen in diesem Zimmer, wo er den tückischen Blick des einstigen Gegners zu fühlen glaubte, ebenso wie das Zusammentreffen mit der Einäugigen Unglück bringen würde.
    Garabato trat ein und meldete einige Freunde an. Es waren Bewunderer, welche ihn vor seinem Auftreten noch sprechen wollten. Der Torero vergaß in einem Augenblick alle seine trüben Gedanken und ging mit lächelnder Mieneerhobenen Hauptes und stolzer Gebärde hinaus, als wären alle Stiere, die seiner im Zirkus harrten, persönliche Feinde, auf die er schon mit Ungeduld wartete, um sie mit dem Degen vor sich herzutreiben.
    Er aß, wie er es vor einem Stierkampfe immer tat, allein und sehr mäßig. Als er sich anzog, entfernten sich die Frauen. Oh, wie haßten sie diese gleißenden Gewänder und den glänzenden Degen, der den Wohlstand der Familie begründet hatte.
    Auch diesmal bedeutete der Aufbruch für Gallardo Augenblicke voll Qual und Selbstbeherrschung. Die Flucht der Frauen, die sein Fortgehen nicht sehen konnten, die schmerzvolle Energie Carmens, welche sich mit aller Kraft zu einem Lächeln zwang und ihn bis zur Türe begleitete, die schüchterne Neugier der Kleinen, all das bedrückte den sonst so selbstbewußten und tapferen Torero, als er die Stunde der Gefahr kommen sah. »Ich gehe doch nicht auf das Schaffot. Ich komme ja wieder. Nur Ruhe, es geschieht mir nichts.«
    Dann bestieg er den Wagen, zu welchem er sich durch die Menge der Neugierigen und Nachbarn, die ihm alle Glück wünschten, durchdrängen mußte.
    Für die Familie war der Nachmittag, an dem Gallardo in Sevilla die Arena betrat, eine Zeit der furchtbarsten Nervenspannung. Es fehlte ihnen die Resignation, in der sie sonst geduldig die Ankunft des Telegrammes erwarteten. Hier war die Gefahr in der Nähe und das weckte das Verlangen nach Mitteilungen über den Verlauf des Stierkampfes.
    Der Riemer, welcher wie ein großer Herr gekleidet war,bot sich den Frauen an, Nachrichten zu bringen, obwohl er über das grobe Verhalten seines berühmten Verwandten wütend war. Gallardo hatte ihm nicht einmal einen Platz in seinem Wagen angeboten. Den Frauen zuliebe wollte er alle Viertelstunden, wenn der Torero an die Reihe kam, durch einen der Straßenjungen, welche zu Hunderten um den Zirkus herumlungerten, Nachricht senden.
    Die Veranstaltung wurde ein glänzender Erfolg. Als Gallardo die Arena betrat und den Beifall der Menge

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