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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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fällt auf jene zurück, welche mich schlecht machten. Mit dem Töten verhält es sich so wie mit den Kirschen. An einer zieht man, ein Dutzend anderer geht mit. Man muß töten, um leben zu können, denn wenn einer Mitleid hat, so fressen die andern ihn auf.«
    Ein langes Schweigen folgte diesen Worten. Doña Sol betrachtete die kurzen, dicken Hände des Banditen. Doch Plumitas kümmerte sich nicht viel um die Gräfin. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf den Torero gerichtet, dem er seine Dankbarkeit für die geleistete Gastfreundschaft beweisen wollte. Er suchte den schlechten Eindruck seiner Worte zu verwischen.
    »Ich achte Euch, Señor Juan«, fuhr er fort. »Seitdem ich Euch das erstemal sah, sagte ich mir: Das ist ein tüchtiger Bursche. Ihr habt viel Bewunderer, auch ich gehöre dazu! Bedenket nur, um Euch zu sehen, bin ich oft in die Stadt gekommen, ohne der Gefahr, erwischt zu werden, zu achten. Ist das keine Anhänglichkeit?
    Und Gallardo lächelte unter zustimmendem Kopfnicken, denn er war bei seiner künstlerischen Eitelkeit gepackt worden.
    »Außerdem kann niemand sagen,« fuhr der Räuber fort, »daß ich nach La Rinconada gekommen bin, um ein Stück Brotzu erbetteln. Oft habe ich Hunger gehabt oder ich hätte mir 5 Duros von hier holen können und dennoch bin ich erst heute in den Hof gekommen. ›Señor Juan ist heilig für mich‹, sagte ich mir immer, ›er verdient so wie ich unter Lebensgefahr sein Geld, wir müssen Kameradschaft halten‹. Und Ihr werdet nicht leugnen, Señor Juan, daß wir beide, obwohl Ihr eine Persönlichkeit seid und ich nur ein Ausgestoßener bin, auf gleicher Stufe stehen, da wir beide davon leben, mit dem Tode zu spielen. Jetzt sind wir alle zwei ruhig beim Essen, doch eines Tages, wenn Gott die Hand von uns abzieht und unser müde wird, werden sie mich wie einen tollen Hund am Wege erschlagen und Euch wird man aus einer Arena tragen. Und wenn auch die Zeitungen vier Wochen über Euren Tod schreiben, so weiß ich nicht, ob Ihr Euch in der anderen Welt so besonders darüber freuen werdet.«
    »So ist es, ja so ist es«, sagte der Torero, der bei diesen Worten des Banditen bleich geworden war. In seinem Gesichte drückte sich der abergläubische Schrecken aus, der ihn beim Herannahen der Gefahr ergriff. Sein Geschick schien das gleiche zu sein wie das Los des schrecklichen Räubers, der eines Tages unausweichlich in seinem ungleichen Kampfe unterliegen mußte.
    »Doch glaubt Ihr,« fuhr Plumitas fort »daß ich an den Tod denke? Ich bereue nichts und gehe meines Weges. Auch ich habe meine Eigenheiten und meinen Stolz, wie Ihr, Herr Juan. Stellt Euch vor, daß ganz Spanien von dem Plumitas spricht, daß alle Zeitungen die größten Lügen über mich verbreiten, daß man mich nach ihren Berichten bis indie Theater verfolgt und sogar die Abgeordneten sich alle Wochen mit mir befassen. Und erst die Genugtuung, ein ganzes Heer, das ich, ein einzelner Mann, zum besten halte, meinen Spuren nachlaufen zu sehen. Unlängst kam ich in ein Dorf und hielt vor einigen Blinden an, welche sangen und Gitarre spielten. Die Leute starrten offenen Mundes auf ein Bild, auf dem ein strammer, prächtig angezogener Bursche, den Stutzen über dem Rücken, mit einem hübschen Mädchen auf flüchtig dahineilendem Rosse zu sehen war. Ich erfuhr auf meine Frage, daß es ein Bild des Plumitas sei. Das freut einen, wenn man auch ganz heruntergekommen ist. Es ist immer gut, wenn sich die Leute ein anderes Bild von uns machen. Ich kaufte das Bild und den Text, den sie sangen und da habt ihr beides. Ein Loblied auf Plumitas, mit viel Lügen, aber alles in Verse gebracht und eine ganz famose Sache. Wenn ich mich im Gebirge versteckt halte, lese ich es, um den Text auswendig zu lernen. Das muß ein Mann geschrieben haben, der viel weiß.«
    Der furchtbare Plumitas zeigte einen kindlichen Stolz, wenn er so von seinem Ruhm sprach. Da verschwand die schweigsame Bescheidenheit, mit der er den Hof betreten hatte, und der Wunsch, seine Person im Hintergrunde zu halten, um nur als armer Reisender, den der Hunger zum Einkehren genötigt hat, zu erscheinen. Er begeisterte sich an dem Gedanken, daß sein Name berühmt war und seine Taten sogleich die Ehre der Veröffentlichung erfuhren.
    »Wer würde mich kennen«, fuhr er fort, »wenn ich noch in meinem Dorfe lebte? Ich habe oft darüber nachgedacht. Wir armen Teufel haben ja keinen anderen Ausweg als fürdie anderen zu schuften oder das einzige Mittel zu ergreifen,

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