Die blutige Arena
daß die Landjäger mich nicht töten werden. Das wird vielleicht ein Armer tun. Man läßt ihn ohne Furcht herankommen, weil er ja sozusagen ein Bruder ist, und dann benützt er den Augenblick der Sorglosigkeit. Ich kenne Feinde, die mir den Tod geschworen haben. Es gibt genug Landstreicher, die für einige PesetasAngeberdienste leisten, oder Kerle, die man um Dienste ersucht, ohne daß sie einem helfen, und da muß man eben, um überall Achtung zu finden, eine harte Hand haben. Und wenn einer dann mit seinen Drohungen ernst macht, muß man sich an die Familie halten. Ist der Betreffende sonst noch ein ›guter Kerl‹, dann begnügt man sich, ihm eine gehörige Tracht Prügel mit Disteln oder Brennesseln auf den nackten Rücken zu geben. An diesen Spaß pflegen sie sich ihr ganzes Leben zu erinnern ... Ja, gerade die Armen und Angehörigen meines Standes fürchte ich am meisten.« Plumitas hielt inne und fügte dann, den Torero ansehend, hinzu:
»Dann sind es die Bewunderer, die Nachahmer, das junge Volk, welches hinterher nachläuft. Señor Juan, sagt doch die Wahrheit, wer verursacht mehr Scherereien, die Stiere oder all diese Anhänger, welche der Hunger antreibt und welche ihrem Herrn am liebsten den Degen aus der Hand nehmen würden ...? So geht es auch mir. Ich sagte ja schon, daß wir gleich sind... In jedem Dorf ist irgend ein Kerl, der davon träumt, mein Erbe anzutreten, und sich der Hoffnung hingibt, mich im Schatten eines Baumes schlafend anzutreffen, um mir den Schädel einzuschlagen.«
Nach diesen Worten ging er mit Potaje in den Stall und eine Viertelstunde später führte er sein starkes Pferd, seinen treuen Begleiter auf allen Irrfahrten, in den Hof. Das knochige Tier schien in den wenigen Stunden der Rast und des Überflusses auf La Rinconada frisch und feurig geworden zu sein. Plumitas strich ihm über die Flanken. Er konnte mit der Behandlung des Pferdes zufrieden sein, denn bisjetzt hatte es selten gleiche Sorgfalt gefunden wie bei Gallardo.
»Und wohin gehst du, Kamerad?«, erkundigte sich Potaje.
»Danach fragt man nicht. Ins Ungewisse, ich weiß es selbst nicht. Wie es sich eben trifft.«
Während dieser Worte steckte er den Fuß in den verrosteten und lehmbespritzten Steigbügel, gab sich einen Schwung und saß aufrecht im Sattel.
Gallardo trennte sich von Doña Sol, welche mit vor Erregung blassen, zusammengepreßten Lippen die Vorbereitungen zum Aufbruch betrachtete.
Der Torero hatte die Hand in die Tasche seines Rockes gesteckt und ging zum Pferde, während er einige zusammengerollte Papierscheine in der Hand zu verbergen suchte.
»Was ist das?«, fragte der Räuber. »Geld? Danke, Señor Juan. Man hat Euch zwar gesagt, daß man mir Geld zu geben hat, wenn ich den Hof verlasse. Doch das geschieht bei anderen, bei Reichen, welche ihr Geld leicht verdienen. Doch Ihr setzt Euer Leben aufs Spiel, wir sind Kameraden. Behaltet es, Señor Juan.«
Gallardo behielt also seine Scheine, war aber über die Weigerung des Banditen, der ihn als seinesgleichen behandelte, doch etwas verstimmt.
»Ihr könnt mir zu Ehren einen Stier töten, wenn wir uns wieder einmal im Zirkus sehen sollten«, fügte Plumitas hinzu. »Das ist mir lieber, als alles Geld der Welt.«
Inzwischen war Doña Sol von rückwärts zum Pferdegetreten und gab dem Scheidenden, ohne ein Wort zu sprechen, eine Rose, welche sie an der Brust trug.
»Für mich?« fragte der Bandit im Tone der Überraschung, »für mich?«
Und auf die bejahende Geste der Doña Sol nahm Plumitas mit sichtlicher Verlegenheit die Rose aus ihrer Hand und hielt sie so ungeschickt, als wäre sie eine schwere Last. Er war unschlüssig, wohin er sie stecken sollte, bis er sie endlich in einem Knopfloch seines Rockes befestigte.
»Das ist ein schöner Abschied,« rief er mit einem Lächeln seines pausbäckigen Gesichtes aus, »so etwas habe ich bis jetzt noch nicht erlebt...«
Der rauhe Bandit schien durch dieses frauenhafte Geschenk bewegt und verwirrt zu sein. Rosen für ihn, den Wegelagerer und Mörder!
Er griff nach den Zügeln:
»Gott zum Gruß, Ihr Herren! Auf Wiedersehen!«
Und er brach auf, nachdem er dem Picador einen festen Händedruck gegeben hatte, den der Stierkämpfer mit einem freundschaftlichen Schlag auf den Oberschenkel erwiderte, daß der muskulöse Körper des Banditen darunter erzitterte, Was war doch Plumitas für ein sympathischer Bursche!... In der Begeisterung seines Rausches wollte Potaje mit ihm in die Berge
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