Die blutige Arena
Verlangen, Frau und Kinder zu sehen, dann gehe ich des Nachts in mein Dorf und alle Nachbarn sind stumm und blind. Doch eines Tages wird es schlimm enden! ... Manchmal kommt es über mich, daß ich die Einsamkeit verlassen und unter Leute gehen muß. Schon lange wollte ich in La Rinconada vorsprechen. Warum soll ich nicht Herrn Juan Gallardo besuchen, da ich ihn doch so schätze? Doch sah ich Euch stets nur mit Freunden und hier im Hause hielt sich immer die Frau und die Mutter mit den Kleinen auf. Und Ihr wißt ganz gut, sie wären vor Angst gestorben, wenn sie den Plumitas gesehenhätten. Doch jetzt ist das anders, jetzt seid Ihr mit der Gräfin hier und ich habe mir gesagt: »Begrüßen wir die Herrschaften und bleiben wir ein wenig in ihrer Gesellschaft.«
Und das feine Lächeln, welches diese Worte begleitete, zeigte den Unterschied zwischen der Familie des Torero und Dona Sol, wobei er auch zu verstehen gab, daß ihm die Beziehungen der Beiden kein Geheimnis waren. In seiner einfachen Bauernseele hatte er sich die Achtung vor der Ehe bewahrt und er glaubte sich gegenüber der adeligen Freundin des Torero zu größerer Freiheit berechtigt als gegenüber den armen Frauen, welche seine Familie bildeten.
Dona Sol überhörte diese Worte und bat den Räuber, ihr zu erzählen, wie er dazu gekommen war, sein heutiges Gewerbe zu ergreifen.
»Aus Ungerechtigkeit, wie sie nur uns Arme treffen kann. Ich war einer der Gescheitesten unseres Dorfes und die Arbeiter machten mich immer zum Sprecher, wenn sie etwas von den Reichen zu fordern hatten. Ich kann lesen und schreiben, in der Jugend war ich Sakristan und als kleiner Bursche bekam ich den Spitznamen Plumitas (Federnhansel), weil ich den Hennen Federn ausriß, um mir Schreibkiele zu verschaffen. Ich heiratete dann und unser erstes Kind kam. Eines Abends erschienen zwei Gendarmen und führten mich aus dem Dorfe. Man hatte auf die Tür eines Reichen ein paar Schüsse abgegeben und jener ehrenwerte Herr behauptete, ich sei es gewesen. Ich erklärte seine Worte für Lügen und sie traktierten mich mit den Gewehrkolben. Um kurz zu sein, sie schlugen mich die ganze Nacht hindurch, bis ich besinnungslos liegen blieb. Sie hatten mir Hände und Füßegebunden, prügelten mich, als ob ich ein Sack wäre, und sagten dabei: ›Bist du nicht der Stärkste im Dorfe? Wohlan, verteidige dich, laß uns sehen, wie kräftig du bist.‹
Diesen Spott spürte ich am meisten. Meine arme Frau pflegte mich, so gut sie konnte, doch ich fand weder Ruhe noch Rast, wenn ich an die Schläge meiner Peiniger dachte. Kurz, eines Tages fand man den einen der beiden Gendarmen tot, und um weiteren Unannehmlichkeiten zu entgehen, floh ich in die Berge.«
»Mann, du hast eine gute Hand,« sagte Potaje voll Bewunderung, »und der andere?«
»Ich weiß nicht, wo er ist. Er verschwand aus dem Dorfe und ließ sich versetzen. Doch ich vergesse ihn nicht. Ich muß noch mit ihm abrechnen. Er soll am anderen Ende Spaniens sein und ich werde ihm nachfolgen, selbst wenn ich kriechen müßte. Ich lasse mein Pferd und den Karabiner bei einem guten Freund und nehme den Zug. So bin ich schon in Barcelona, Valladolid und sieben anderen Städten gewesen. Ich setze mich vor die Polizeistube und sehe, wie die Leute ein- und ausgehen. Man erteilt mir oft falsche Auskünfte, doch das macht nichts. Ich suche ihn schon seit Jahren und werde ihn finden, vorausgesetzt, daß er nicht tot ist, was aber eine Ungerechtigkeit wäre.«
Dona Sol folgte dem Berichte voll Spannung. Ein ganz eigener Kerl, dieser Plumitas. Sie hatte sich getäuscht, ihn für einen Feldhasen zu halten.
Der Räuber schwieg und runzelte die Augenbrauen, als fürchtete er, zu viel gesagt zu haben, und wie um neue Fragen abzuwehren.
»Mit Eurer Erlaubnis«, sagte er zum Torero »will ich in den Stall gehen, um nachzusehen, was sie meinem Pferde geben. Kommst du mit, Kamerad?«
Potaje nahm die Einladung an und verließ die Küche.
Als die beiden allein waren, zeigte der Torero seine üble Laune. Warum war sie heruntergekommen? Es war eine Unvorsichtigkeit, sich einem solchen Manne zu zeigen, einem Räuber, dessen Name der Schrecken aller Leute war. Doch Donna Sol, welche über den Erfolg ihres Kommens sehr befriedigt war, lachte über die Furcht des Toreros. Ihr erschien der Bandit als ein guter Kerl, ein Unglücklicher, dessen Taten durch die Phantasie des Volkes vergrößert wurden. Er war doch sozusagen ein Diener ihrer Familie.
»Ich stellte ihn
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