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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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zu bleiben, geriet bei dieser Nachricht in die größte Aufregung. Was, sein Torero sollte lahm bleiben? Da konnte er ja nicht mehr auftreten!
    Er wurde über die Ruhe, mit der die Ärzte diese Möglichkeit besprachen, förmlich tobsüchtig. Das durfte nicht sein. Glaubten sie denn, daß Juan leben könne, ohne den Degen zu führen? Wer würde seinen Platz einnehmen?
    Er wachte die ganze Nacht mit den Männern der Cuadrilla und Gallardos Schwager am Krankenbette. Am nächsten Tage eilte er in der Frühe auf die Station. Der Expreß aus Madrid brachte den so sehnlichst erwarteten Dr. Ruiz. Als er in das Zimmer des Torero trat, öffnete Juan, der am Ende seiner Kräfte zu sein schien, die Augen und ein schwaches, vertrauensvolles Lächeln begrüßte den Arzt.Nach einer kurzen Beratung mit seinen Kollegen trat Dr. Ruiz mit zuversichtlicher Miene an das Bett.
    »Mut, mein Freund. Alles wird wieder gut werden. Du hast Glück gehabt.«
    Und gleich darauf fügte er hinzu, indem er sich an seine Kollegen wandte:
    »Ein Prachtkerl, dieser Juan, ein anderer würde uns jetzt wohl keine Arbeit mehr geben.«
    Er untersuchte ihn mit größter Gründlichkeit. Es war ein heikler Fall, doch hatte er deren ähnliche schon oft unter der Hand gehabt. Bei Erkrankungen war er nicht recht sicher, seiner Meinung Ausdruck zu geben. Aber die Verletzungen bei Stierkämpfern waren seine Spezialität und hier hatte er die überraschendsten Erfolge.
    »Wer nicht gleich auf der Stelle stirbt,« pflegte er zu äußern, »kann sagen, daß er davonkommt. Die Heilung ist nur eine Frage der Zeit.«
    Während dreier Tage mußte Gallardo qualvolle Operationen erdulden, bei denen er vor Schmerz brüllte, da seine Schwäche keine Betäubungsmittel erlaubte. Aus dem einen Bein mußten zahlreiche Splitter des zertrümmerten Schenkelknochens entfernt werden.
    »Wer sagt, daß du nicht mehr auftreten kannst?« rief der Doktor voll Zufriedenheit aus. »Du wirst weiter Torero bleiben, mein Sohn, und noch viel Applaus vom Publikum ernten.«
    Don Jose nickte zu diesen Worten. Dasselbe hatte er auch behauptet.
    Auf Anordnung des Dr. Ruiz war die Familie desTorero in das Haus des Don José übersiedelt. Die Gegenwart der Frauen war in den Stunden der Operationen unerträglich geworden. Ein Schrei des Torero genügte, um wie ein Echo die Klagen der Mutter, der Frau oder der Schwester auszulösen und man mußte Carmen, die sich wie eine Wahnsinnige gebärdete, gewaltsam zurückhalten, an das Bett ihres Gatten zu eilen. Der Schmerz hatte ihren Groll ausgelöscht. Oft trieben ihr die Gewissensbisse Tränen in die Augen, da sie sich als mitschuldig am Unglücksfalle betrachtete.
    »Ich habe ihn dazu getrieben,« erklärte sie dem Nacional voll Verzweiflung, »wie oft sagte er, ein Stier solle ein Ende mit ihm machen. Ich bin gar schlecht zu ihm gewesen, ich habe ihm das Leben verbittert.«
    Umsonst schilderte der Nacional alle Einzelheiten des Vorfalles, um ihr zu beweisen, daß hier ein unglückliches Ereignis vorliege. Es war vergeblich. Nach ihrer Überzeugung hatte Gallardo ein Ende machen wollen, und wenn der Banderillo nicht gewesen wäre, so hätten sie ihn tot vom Platze getragen.
    Nach den Operationen kehrte die Familie wieder ins Haus zurück. Leisen Schrittes und mit gesenkten Augen, als würde sie ihre frühere Feindseligkeit bereuen, betrat Carmen das Zimmer. »Wie geht es dir?« fragte sie und nahm eine Hand Juans in die ihrige. So blieb sie, still und furchtsam, in Gegenwart des Dr. Ruiz und der anderen Freunde, welche nicht vom Bette des Kranken wichen. Wäre sie allein gewesen, so hätte sie sich vor ihrem Gatten niedergekniet und ihn um Verzeihung gebeten. Sie hatte ihn mit ihrer Grausamkeitgereizt und in den Tod getrieben. Das alles sollte vergessen sein. Und ihre Augen blickten ihn mit dem Ausdrucke der Liebe und mütterlicher Zärtlichkeit an.
    Gallardo schien durch den Schmerz klein geworden zu sein und lag bleich und hilflos wie ein Kind da. Nichts war von seinem Selbstbewußtsein geblieben, das früher oft zu einer Tollheit ausgeartet war, welche die Leute nicht selten in Raserei versetzt hatte. Er beklagte sich über seine erzwungene Ruhe, über die Unbeweglichkeit, zu der ihn sein Bein verurteilte. Er schien durch die furchtbaren Operationen, die er bei vollem Bewußtsein hatte überstehen müssen, ganz eingeschüchtert worden zu sein. Seine frühere Unempfindlichkeit Schmerzen gegenüber war verschwunden und er klagte bei der leisesten

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