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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Ringen, das früher oder später mit dem Tode des Menschen enden mußte. War das nicht ein Fortschritt?
    Ruiz entwickelte seine Ideen weiter. »In der Mitte des 18. Jahrhunderts, als Spanien aufhörte, im Auslande Kriege zu führen oder neue Kolonien zu erwerben, als ferner die religiöse Begeisterung mangels neuer Nahrung erlosch, war die Zeit für die Stierkämpfe gekommen ... Die Volkskraft brauchte neue Wege zur Betätigung ihrer schlummernden Energien, die Wildheit der Menge verlangte nach einem anderen Nervenkitzel, nachdem es durch Jahrhunderte gewohnt war, das aufregende Schauspiel der Ketzerverbrennungen zu sehen. Die Autodafés wurden durch Stiergefechte ersetzt. Derjenige, welcher sich noch vor einem Jahrhundert für Flandern oder Amerika hätte anwerben lassen, wählte den Stierkämpferberuf. Das Volk, welches seine Ausbreitungsmöglichkeit verschlossen sah, gewährte all denen, welche sich Ruhm und Anerkennung erwerben wollten und Mühe oder Gefahren nicht scheuten, die Möglichkeit öffentlicher Betätigung und Anerkennung.
    »Es ist dies«, erklärte der Doktor, »ein Fortschritt, der ganz unleugbar ist. Der Mensch braucht den Reiz des Bösen, um der Eintönigkeit des Lebens zu entfliehen. Wir wissen sehr wohl, daß der Alkohol ein Übel ist, und dennochtrinken wir ihn fast alle. Die Brutalität läßt in uns innere Kräfte erstehen, welche man nicht verkümmern lassen soll. Zugestanden, die Stierkämpfe sind barbarisch, doch sie sind nicht die einzigen Feste dieser Art auf der Welt. Das Gefallen an grausamen und wilden Spielen ist eine menschliche Eigenheit, welche bei allen Völkern gleichmäßig ausgebildet ist. Deshalb ärgere ich mich, wenn die Fremden nach Spanien blicken, als ob hier allein grausame Veranstaltungen zu finden wären.«
    Und der Doktor ereiferte sich gegen die Pferderennen, bei denen viel mehr Menschen stürzen als bei Stiergefechten, gegen die modernen sportlichen Veranstaltungen, von denen die Teilnehmer mit gebrochenen Beinen und Nasen weggetragen werden müssen.
    »Die Stiere und Pferde«, rief er aus, »finden bei diesen Leuten Mitleid, doch in ihrem Lande sehen sie kaltlächelnd zu, wie bei den Rennen die Pferde sich mit gebrochenen Beinen auf dem Rasen herumwälzen, oder sie verteidigen die Grausamkeit des zoologischen Gartens.«
    Der Doktor ereiferte sich dagegen, daß im Namen der Zivilisation gegen die Stierkämpfe gewettert werde, während gleichzeitig unter dem Deckmantel der gleichen Zivilisation die schädlichsten und unnützesten Tiere in den Tiergärten gehegt, aufgezogen und mit allem Luxus umgeben würden. »Warum das? Die Wissenschaft kennt sie und hat sie studiert. Wenn ihre Ausrottung mancher empfindsamen Seele Schmerz bereitet, weshalb treten diese dann nicht gegen die stillen Tragödien auf, welche sich täglich in den Käfigen der zoologischen Anstalten abspielen? Die zitternden Ziegen werdendem Panther vorgeworfen, der ihre Knochen zermalmt und mit seinem Rachen in ihrem aufgerissenen Bauche herumwühlt. Die armen Kaninchen, welche man den ruhigen und würzigen Bergen entrissen hat, zittern vor Entsetzen unter dem Blicke der Riesenschlange, welche sie mit ihren Augen zu hypnotisieren scheint, um dann ihren Kreis immer enger um sie zu ziehen. Tausende von armen Tieren müssen für den Unterhalt der Raubtiere, die zu nichts dienen, ihr Leben lassen. Und aus diesen Anstalten, welche die Raubtiere zur größeren Ehre der Zivilisation hegen und pflegen, kommen diese Angriffe gegen die spanischen Barbaren, weil mutige und gelenkige Männer einem stolzen und furchtbaren Tiere nach den Regeln einer alten Kunst in offenem Kampfe gegenübertreten und unter lachender Sonne vor den Augen zahlloser Zuschauer ihr Können zeigen. Beim Himmel! Man beschimpft uns, weil wir jetzt wenig gelten. Die Welt ist wie ein Affe, der die Gebärden und Bewegungen seines Herrn nachmacht, jetzt ist England oben und daher sind die Pferderennen in der Mode. Die wirklichen Stierkämpfe kamen zu spät auf, als es mit uns bereits bergab ging, denn sonst würde ganz Europa diesem Spiele huldigen. Man lasse mich mit den Fremden in Ruhe. Ich bewundere sie, weil sie Revolutionen vollbracht haben, was aber die Stiere betrifft, so reden sie nur Unsinn.«
    Und der leicht erregbare Dr. Ruiz stieß gegen alle Völker, welche das nationale Fest der Spanier verurteilen und dabei gleichzeitig selbst andere blutige Vergnügungen als gerechtfertigt betrachten, ohne sie anders, als durch den Vorwand ihrer

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