Die blutige Arena
Bewegung.
Sein Zimmer war in diesen Tagen ein Rendezvous für alle Freunde der Stierfechtkunst geworden. Der Zigarrenrauch vermischte sich mit dem durchdringenden Geruch des Jodoforms und anderer Essenzen. Zahlreiche Weinflaschen, aus denen die Besucher bewirtet wurden, standen zwischen Arzneifläschchen, Wattepäckchen und Verbandstoffen auf dem Tische herum. »Mach dir keine Sorgen«, riefen die Freunde, welche den Torero mit ihrem Optimismus aufzuheitern suchten, »in ein paar Monaten stehst du wieder in der Arena. Du bist in gute Hände gekommen, Dr. Ruiz wirkt Wunder.«
Auch sein Arzt war zufrieden. Er blieb mit Don Jose und den Männern der Cuadrilla bis spät in die Nacht am Bette des Verwundeten. Wenn Potaje kam, setzte sich dieser an den Tisch, wo er die Flaschen in Reichweite seiner Hände hatte.
Dr. Ruiz, Don José und der Nacional sprachen nur von Stieren. Es war unmöglich, mit Don José zusammenzukommen, ohne nicht dieses Thema zu erörtern. Sie kritisierten die Leistungen aller übrigen Stierfechter, besprachen ihre Vorzüge und ihr Einkommen, während der Torero ihnen zuhörte oder durch ihr Gespräch in einen unruhigen Halbschlaf versenkt wurde. Meistens sprach der Doktor allein, während ihn der Nacional bewundernd anblickte. Was dieser Mann alles wußte! Er sprach, ein volles Glas vor sich, ohne Unterbrechung und hielt nur inne, um seine Kehle durch einen Schluck zu erfrischen. Er erzählte von der jahrhundertalten Vergangenheit des nationalen Festspieles. Nur bei seltenen Anlässen, wenn sich z.B. Könige verheirateten, Friede geschlossen oder eine Kapelle eingeweiht wurde, veranstaltete man solche Feste, welche damals noch nicht regelmäßig wiederholt wurden und auch keine berufsmäßigen Stierkämpfer kannten. Die in Seide gekleideten Reiter stellten sich im Zirkus unter den Augen der Damen den Stieren entgegen, um sie mit den Lanzen zu necken oder umzureiten. Wenn der Stier sie aus dem Sattel schleuderte, zogen sie den Degen und töteten das Tier, ohne sich jedoch an bestimmte Regeln zu halten, wie und wo sie ihn treffen sollten. Wenn der Stierkampf vom Volke veranstaltet wurde, lief die Menge in den Zirkus und stürzte sich auf das Tier, bis es ihnen gelang, es niederzureißen und zu töten.
»Die heutigen Stierkämpfe«, fuhr der Doktor fort »waren damals unbekannt, denn die Leute hatten in jenen Tagen andere, der Zeit angemessene Belustigungen. Der kriegerische Sinn des Spaniers konnte sich damals in allen LändernEuropas betätigen und in Amerika gab es immer Platz für tüchtige Leute. Außerdem bot die Religion aufregende Schauspiele genug, bei denen man den Nervenkitzel, sich an den Qualen anderer zu weiden, verkosten und noch dazu einen Nachlaß der Sünden gewinnen konnte. Die Ketzerverbrennungen waren Schauspiele, welche die Stierkämpfe an Interesse weit übertrafen. Die Inquisition wurde das größte Nationalfest.«
»Doch kam der Tag,« fuhr Dr. Ruiz mit feinem Lächeln fort, »an welchem die Inquisition ihre Macht verlor. Ja, alles geht in dieser Welt zugrunde. Sie starb an Altersschwäche, ehe sie noch von den revolutionären Gesetzen unterdrückt wurde. Sie war unzeitgemäß geworden und ihre Veranstaltungen konnte man etwa mit dem Erfolge vergleichen, den unsere Stierkämpfer in Norwegen, unter Schnee und grauem Himmel finden dürften. Man schämte sich, Menschen zu verbrennen und dies mit dem Aufputz von Predigten, lächerlicher Kleidung, Beschwörungen und anderem Firlefanz zu umgeben. Die Inquisition begnügte sich, die Leute hinter verschlossenen Türen durchzupeitschen. Gleichzeitig begannen die Spanier, der Kriegsfahrten überdrüssig zu werden und zu Hause zu bleiben. Die vollendete Eroberung Amerikas hatte den Zustrom der Abenteurer eingeschränkt und so konnte sich die Stierfechtkunst entwickeln. Man baute ständige Häuser, um die Stiergefechte darin abzuhalten, es bildeten sich Vereinigungen von Leuten, welche die Kunst der Toreros bestimmten, da die Regeln aufkamen und die einzelnen Klassen der Stierkämpfer, die Banderillos und Toreros, nebeneinander hervortraten. Die Menge fand diese Veranstaltungen nach ihrem Geschmack. Die Reiter, welche früher Adeligewaren, wurden nun durch bezahlte Leute ersetzt und das Volk strömte in Massen zu diesen Veranstaltungen. Die Söhne derer, welche früher mit religiös-fanatischer Begeisterung dem Flammentod der Ketzer beigewohnt hatten, begrüßten nun mit lärmender Freude den Kampf der Menschen mit dem Stiere, ein
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