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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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keinem. Behandelt alle wie Giftschlangen. Wenn sie euch fragen, wer ihr seid, dann sagt, dass ihr für mich auf mein Pferd aufpasst und dass ich in wichtiger Angelegenheit für Hauptmann Bernard Garnier unterwegs bin. Wenn ihr seht, dass sie Clementine mitnehmen wollen, lasst sie und rennt weg. Glaubt nicht, dass ihr Clementine beschützen müsst, denn niemand wird ihr etwas antun. Im Gegensatz zu unserem steht ihr Wert außer Frage.«
    Tannhäuser nahm Frogiers Bogen von der Schulter.
    »Können wir nicht mitkommen?«, fragte Juste.
    »Nein.«
    »Ich kann sehr gut mit dem Bogen umgehen. Ich habe in Polen Hasen, Enten, Rehe, Eber geschossen.«
    »Heute solltet ihr nur vermeiden, dass man euch zur Strecke bringt. Ich sehe, dass ihr von hier drei Fluchtmöglichkeiten habt, vier, wenn man mitzählt, dass ihr auf das Feuer zu rennen könntet. Grégoire, du kennt diesen Bezirk gut, nicht?«
    Grégoire nickte. »Ich sehe sechs Möglichkeiten.«
    »Gut. Ihr solltet es schaffen, allen, die ich bisher auf der Straße gesehen habe, zu entwischen. Wenn ihr irgendwelche Zweifel habt oder Angst bekommt, befehle ich euch, wegzurennen, ehe die in eure Nähe kommen. Verlasst euch auf euren Instinkt.«
    »Wir sind keine Feiglinge«, sagte Juste.
    »Das weiß ich, also will ich keinen solchen Unsinn mehr hören. Lasst euch von Luzifer führen – der wird böse Absichten riechen, ehe ihr sie bemerkt. Und wenn ihr rennt, folgt er euch. Vergesst nicht: Clementine ist in Sicherheit, aber Luzifer nicht, denn für die ist er wertlos. Die töten ihn nur zum Spaß. Ihr müsst rennen, um ihn zu schützen.«
    Die Jungen schauten auf den jämmerlichen kleinen Köter und sahen einander an. Sie schienen sich einig zu sein, dass das Hundeleben mehr wert war als ihre beiden zusammen.
    »Ich wiederhole: Wenn ihr rennen müsst, dann rennt. Ihr könnt in einem großen Bogen hierher zurückkommen und schauen, ob die Lage wieder sicher ist.« Tannhäuser schaute sich um. »Von hier aus könnt ihr in alle Richtungen sehen, auch in die Gasse da oder in die da drüben.«
    Sie nickten, schienen das Ganze immer mehr für ein verlockendes gefährliches Spiel zu halten.
    »Oder ihr könnt zu Engels Stallungen zurückkehren. Wenn ich bei meiner Rückkehr weder euch noch eure Leichen hier vorfinde, will ich wissen, wo ihr seid.«
    Tannhäuser zog fünf Pfeile heraus und legte einen an der Sehne ein. Die anderen hielt er in der Bogenhand.
    »Wir haben keine Waffen«, sagte Juste.
    »Wenn ihr Waffen habt, dann kämpft ihr, und wenn ihr kämpft, dann kommt ihr um. Eure Waffen sind euer Hirn und eure Füße.«
    Tannhäuser ging durch einen kleinen Wirbelsturm von verkohltem Papier, hielt den Bogen und die Pfeile am linken Oberschenkel, hatte die Augen gegen den Rauch zusammengekniffen. Er merkte, wie ihm speiübel wurde. Der verbrannte Mann war wohl Daniel Malan. Nicht der erste Mann, den Tannhäuser auf einem Haufen aus seinen eigenen Büchern hatte verbrennen sehen. Manche Menschen hielten so etwas für einen Scherz. Auch Petrus Grubenius hatte ein solches Ende gefunden, auf den Scheiterhaufen gebunden von Fanatikern, deren Anführer Orlandus Vater war. Der Leichnam lag mit dem Gesicht nach unten und war erst halb von den Flammen verzehrt. Aus der aufgeplatzten Haut rann zischend Fett in die Glut, kleine Flammen schossen auf.
    Tannhäuser unterdrückte die Übelkeit und eilte vorüber.
    Die beiden Milizmänner debattierten darüber, wie dieses Gewehr wohl funktionieren mochte, doch da der Hahn von der Pulverpfanne weggeklappt war, stellte es keine Gefahr dar. Tannhäuser hörte Schreie, manche von Frauen. Doch daran hatte man sich inzwischen anscheinend so sehr gewöhnt, dass die beiden Freiwilligen nicht mit der Wimper zuckten. Jenseits von Malans Haus standen noch drei, vier Türen auf der gleichen Straßenseite offen. An den Mauern lehnten Piken und Hellebarden, Stangenwaffen, die für den Gebrauch in Innenräumen zu sperrig waren.
    Grob geschätzt waren es zwanzig.
    Die beiden Milizmänner schauten auf, als er durch den Rauch geschritten kam.
    »Gott segne Seine Majestät«, sagte Tannhäuser. »Wo ist Hauptmann Garnier?«
    »Garnier?«, fragte der mit Tannhäusers Gewehr. »Ich weiß nicht, Herr. Er ist nicht unser Hauptmann.«
    »Ist das da der Drucker?«
    »Ja, der Schweinehund höchstpersönlich, Herr. Man hat uns rechtzeitig informiert.«
    Tannhäuser überging das. »Und seine Töchter?«
    »Töchter, Herr?« Er schaute den zweiten an. »Er hat

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