Die Blutnacht: Roman (German Edition)
Töchter?«
»Das haben die schlauen jungen Kerle nicht gesagt.«
»Für dieses Gewehr braucht ihr einen Schlüssel, um das Rad aufzuziehen, wie eine Uhr«, erklärte Tannhäuser.
»Hab ich doch gesagt«, sagte der zweite Mann zum ersten.
»Der Schlüssel ist meist in der Schaftklappe. Ich zeige es euch.«
Tannhäuser trat lächelnd näher, zog mit der Rechten den Dolch hinter seinem Ellbogen hervor und stach ihn dem Mann, der ihm das Gewehr hinhielt, in die Brust, mitten ins Herz. Dann schob er den Mann zur Seite, zog seinen Dolch heraus und zielte auf die Kehle des zweiten Freiwilligen. Der reagierte jedoch schneller als die meisten, und Tannhäuser schlitzte ihm nur den Unterarm bis auf die Knochen auf, ehe der Mann fortrannte.
Tannhäuser schoss einen Pfeil ab, der dem Fliehenden aus fünf Schritt Entfernung halb bis zu den Gänsefedern in den Hintern eindrang und vorne im Schritt wieder herauskam. Der Mann fiel zuBoden. Tannhäuser machte sich mit dem Dolch von hinten über ihn her und stach ihm die Klinge in den Nacken, ehe er die Waffe ungesäubert wieder wegsteckte.
Er richtete sich zwischen dem rauchenden Haufen und der Stille der Getöteten auf.
Nichts deutete darauf hin, dass ihn jemand beobachtet hatte. Er stellte einen Fuß auf den Pfeil im Hintern des Toten und brach mit einem scharfen Krachen den Schaft durch. Er packte den gefiederten Teil mit den roten und grünen Farben, drehte ihn ab und warf ihn aufs Feuer. Dann legte er einen weiteren Pfeil ein. Er nahm sein Gewehr wieder an sich und hängte es sich am Riemen auf den Rücken. An der Vorderfront von Daniel Malans Geschäft hatte man die Klappläden weggerissen. Tannhäuser schaute hinein. Man hatte Bücherregale heruntergerissen, Vitrinen umgeworfen. Niemand war zu sehen.
Er warf einen Blick zur Tür hinein. Der Flur war leer. Er packte den ersten Milizsoldaten beim Kragen seines Wamses und zerrte ihn ins Haus. Er lauschte. Von irgendwo weiter hinten im Erdgeschoss hörte er vage Geräusche. Aus den oberen Geschossen, zu denen auf der Hälfte des Flurs links eine Treppe hinaufführte, vernahm er gedämpfte Stimmen. Das Haus war einen Raum breit. Drei offene Türen lagen vor ihm, zwei rechts im Flur, auf der gleichen Seite wie der Laden; die letzte direkt vor ihm am Ende des Flurs. Aus dieser dritten Tür war ein schwaches Licht zu sehen. Links war unter der Treppe eine geschlossene Tür, wahrscheinlich zum Keller.
Tannhäuser schleppte auch die zweite Leiche ins Haus. Er packte sich eine Halbpike. Er schob die Haustür von innen zu. Das Schloss und der obere Riegel waren aus dem Türrahmen gebrochen. Er hieb die Spitze der Halbpike in die Fußbodenbretter und klemmte den Schaft unter das eiserne Gehäuse des zerbrochenen Schlosses.
Dann machte er sich auf den Weg den Flur entlang.
Das Haus roch nach Druckerschwärze, Terpentin und Metall. Ein Blick durch die erste Tür bestätigte ihm, was er von draußen gesehen hatte. Bei der zweiten Tür lauschte er, hörte nichts und trat ein. Niemand. Man hatte den hölzernen Rahmen der Druckerpresse umgestoßen. Kleine rechteckige Lettern lagen in Haufen überall auf dem Boden verstreut, dazu Setzschiffe, Werkzeuge und Handgießinstrumente.An einem Haken neben einem Wasserfass hing eine tintenverschmierte Schürze. Er nahm sie und zog sich den Nackenriemen über den Kopf. Die Schürze reichte ihm kaum bis zu den Oberschenkeln, bedeckte aber das Malteserkreuz auf seiner Brust. Nun machte er sich auf zum letzten Zimmer.
Kurz vor der Tür blieb er stehen. Er konnte jemanden vor Anstrengung stöhnen hören. Er erinnerte sich daran, dass in Frankreich einer von drei Männern immer Jean hieß, und rief: »He da, Jean?«
»Beide Jeans sind oben«, kam die Antwort.
Tannhäuser trat ein, zog die Bogensehne zurück und zielte mit dem Pfeil auf einen Mann, der am anderen Ende des Raumes auf allen vieren war. Er hatte der Tür den Rücken zugekehrt und rollte soeben vor einem Schreibtisch einen Läufer auf. Zwei Kerzen flackerten auf einem eisernen Leuchter. Im übrigen Raum waren Vorräte aufgestapelt. Malans Haus grenzte unmittelbar an die Hinterwand der Häuser in der nächsten Straße an. Es hatte keinen Hinterausgang.
Tannhäuser entspannte den Bogen, zog den Dolch und bewegte sich näher.
»Wer ist sonst noch da oben? Wie viele?«
»Woher soll ich das wissen? Ich bin ja hier unten.«
Der Kniende wandte sich um. Wie viele in der Miliz war er um die zwanzig.
»Holla, wer bist du denn?«
»Stimmt
Weitere Kostenlose Bücher