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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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hervor.
    »Packe ein sauberes Kleid für jede von euch in die Satteltaschen. Tragt Schuhe, in denen ihr rennen könnt.«
    Tannhäuser überprüfte die Pistolen und steckte sie in die Holster.
    »Mein Vater ist ein reicher Mann«, sagte Jean. »Er könnte Euch auch reich machen.«
    Tannhäuser ging zu Jean, riss ihm den rechten Arm auf den Rücken und stieß ihn zur Tür. Ein Schwall von Jammern und Klagen ergoss sich mit solcher Geschwindigkeit aus Jeans Mund, dass Tannhäuser kein Wort verstand. Als der junge Mann den Türpfosten packte und sich daran klammerte, riss Tannhäuser ihm den Arm noch höher, so dass der Knochen unterhalb des Schultergelenks brach. Jean schrie auf.
    Tannhäuser griff auch Jeans anderen Arm und verfrachtete den jungen Mann auf den oberen Treppenabsatz. Er stieß ihn bei dem Holzgeländer oberhalb der Treppe auf die Knie. Er schaute zurück, um sich zu vergewissern, dass Ebert nicht unter dem Bett hervorgekrochen war.
    Pascale war ihm aus dem Zimmer gefolgt.
    Flore saß noch auf dem Bett.
    Jean wehrte sich wie ein gefesseltes Schaf.
    Tannhäuser brach ihm auch noch den anderen Arm.
    »Du bist tot, Junge. Versuche wenigstens mit Würde aus dem Leben zu scheiden.«
    Jean ergab sich, obwohl eher Schluchzer des Schmerzes und der Verzweiflung zu hören waren als Stolz.
    Tannhäuser schaute zu Pascale. »Bist du bereit?«
    »Ich bin bereit.«
    »Wir werden wohl beide hierfür verdammt, aber ich bin es schon, ich riskiere also nichts.«
    »Ich will die Brücke überschreiten und nie mehr zurückkommen.«
    Pascale streckte die Hand nach dem Messer aus.
    »Ich will mich nicht daran erinnern, wie es auf dieser Seite der Brücke war.«
    »Um einen Mann schnell zu töten, braucht man Geschicklichkeit, Entschlossenheit und ganz besonders einiges Wissen über die Anatomie. Gott hat uns nicht so geschaffen, dass wir leicht niederzumetzeln sind, obwohl uns anscheinend diese Aktivität völlig trunken macht. Stell dir also vor, dass die Rippen wie eine Rüstung sind, vorne und hinten, was so ziemlich stimmt. Hier, sieh selbst.«
    Er tastete Jeans Brustkorb mit den Fingerspitzen ab. Pascale folgte seinem Beispiel. Sie nickte. Jean wand sich und schluchzte.
    »O großer Gott, ich bereue alle meine Sünden von ganzem Herzen …«
    »Bete leise«, sagte Tannhäuser, »wie es die Mönche tun.«
    Jean schniefte nur noch.
    Tannhäuser fuhr fort: »Es ist nicht einfach, zwischen den Rippen hindurchzustechen, und außerdem kann sich die Klinge zwischen ihnen verkanten oder sogar abbrechen. zudem kannst du deinem Gegner alle möglichen Wunden zufügen, ohne ein lebenswichtiges Organ zu treffen. Die Welt ist voller Männer, die Stichwunden haben. Bedenke auch, dass es schwieriger ist, einem Mann die Kehle so durchzuschneiden, dass er stirbt, als man allgemein annimmt, denn hier – siehst du die Muskelstränge, die die großen Blutgefäße schützen? Du brauchst ein sehr scharfes Messer und musst beherzt vorgehen und einen sehr tiefen Schnitt machen. Wenn du ihm nur die Luftröhre durchtrennst, ist das oft gar nicht tödlich.«
    Pascale hörte mit großer Konzentration zu.
    »Aber fühle mal hier, hinter dem Schlüsselbein. Da sind Haut und Muskeln dünn und wie eine Trommelhaut gespannt, selbst beim stärksten Mann. Und genau darunter liegen jede Menge lebenswichtige Organe – die großen Blutgefäße, die aus dem Herz aufsteigen, die Lungen und das Herz selbst. Stich die Klinge da hinein, und sogar mit viel Glück wird kaum einer überleben. Aber du musst von oben nach unten stechen, vertikal – so –, und dein Gewicht muss direkt auf den Griff wirken, entweder von oben, wenn du von hinten angreifst, oder von unten, wenn du von vorn kommst.«
    Er machte es ihr vor.
    »Verstehst du?«
    Pascale machte die Bewegungen mit geballter Faust nach. Sie nickte. Sie schaute auf.
    »Es ist wirklich frevelhaft, nicht?«, fragte sie.
    »Ich bin froh, dass du das sagst. Geh zu Flore. Ich kümmere mich um die beiden.«
    »Das habe ich damit nicht gemeint. Ich bin lieber eine Frevlerin als schwach. Ich bin es leid, eine der Schwachen zu sein.«
    Tannhäuser nickte.
    »Ihr widersprecht mir nicht? Das Töten macht mich stärker?«
    »Diese Illusion entsteht oft. Manchmal ist es nicht einmal eine Illusion.«
    »Gebt mir das Messer.«
    Tannhäuser legte die Spitze des Messers an Jeans Hals, hinter das rechte Schlüsselbein und zielte schräg nach unten auf sein Herz.
    »Genau wie ich die Klinge jetzt halte, siehst du? Stoße fester

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