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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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hinauf und machte ihr ein Zeichen, sie sollte zurücktreten. Sie gehorchte. Er stieß dem Mann die Partisane unter die Rippen und zerrte daran, bis die Leiche an den Fuß der Leiter herunterfiel. Er zog dem Toten noch einen Pfeil aus den Gedärmen und steckte ihn mit den anderen in den Köcher zurück.
    »Wirf das Schwert weg.«
    »Ich will es behalten.«
    »Du weißt nicht, wie man damit umgeht, und es würde dich Jahre kosten, das zu lernen. Auch keiner von diesen Narren hier hatte es gelernt. Wenn du dich schon bewaffnen willst, dann nimm den Dolch des Hauptmanns.« Er deutete auf den massigen Körper. »Der ist nicht zu lang und passt zu deiner Körpergröße. Ich zeige dir ein paar Techniken, auf die du dich verlassen kannst. Nimm auch die weißen Armbinden, wenn sie nicht zu blutig sind.«
    Als sich Pascale über die Leiche des Hauptmanns beugte, sah Tannhäuser Flore im Rahmen der Schlafzimmertür stehen. Ihre Augen waren auf Pascale gerichtet. Pascale erhob sich mit dem Gürtel und Dolch des Hauptmanns und blickte zu Flore hin. Sie schien in Flores Augen Missbilligung zu erkennen.
    »Sie haben Vater getötet. Und sie wollten auch uns töten.«
    Flore sagte: »Ich will nicht, dass du dir wehtust.«
    Pascale legte sich den Gürtel des Hauptmanns zweimal um die Taille und schnallte ihn zu. Als wollte sie ihre Haltung unterstreichen, trat sie noch zu den beiden toten Studenten und schob sie über das Geländer.
    »Deren Blut nutzt uns jetzt nicht mehr.«
    »Rafft die Röcke und bindet sie euch um die Taille«, wies Tannhäuser die Mädchen an. »Sonst tragt ihr das Zeug literweise auf die Straße. Wenn ihr eure Schuhe schonen wollt, geht barfuß die Treppe hinunter, aber passt auf, dass ihr euch nicht an gefallenen Klingen schneidet. Pascale, bring die Pistolen. Flore, die Satteltaschen. Und nehmt Kleider mit, mit denen wir uns sauber wischen können.«
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Flore.
    Tannhäuser sagte: »Was immer als Nächstes kommt.«
    Flore schaute ins Treppenhaus hinunter auf das Blutbad. Sie unterdrückteeinen Schrei. Kaum ein Fleckchen auf den Stufen und am Boden war nicht mit Blut besudelt, und auch große Teile der Wände waren blutverschmiert. Fliegen aller Arten und Farben schwirrten bereits herbei.
    »Wir sind hier geboren«, sagte Flore. »Wir haben hier jede Nacht geschlafen und sind hier jeden Morgen aufgewacht. Unser Leben lang. Mama ist hier gestorben und nun auch Papa. Und jetzt ist es fort.«
    »Ja«, erwiderte Tannhäuser, »jetzt ist es fort. Aber wir nicht.«
    »Trägst du mich die Treppe hinunter?«
    »Natürlich. Ich muss nur meine Sachen ordnen.«
    Tannhäuser schwang sich das Gewehr auf den Rücken, Bogen und Köcher über eine Schulter. Vielleicht trug er zu viele Waffen bei sich, aber er konnte es nicht über sich bringen, die Partisane zurückzulassen. Gegen die vielen Feinde, die drohten, war sie besser als Dolch und Schwert.
    Pascale erschien, die Röcke gerafft, die Schuhe in der Hand und seine Satteltaschen und Holster über die schmalen Schultern gelegt. Tannhäuser streckte den linken Arm aus, und Flore schwang sich hoch, legte ihm die Beine um die Taille und die Arme um den Hals und saß so auf seiner Hüfte. Pascale ging vorsichtig barfuß die Treppe hinunter und legte eine bewundernswerte Gleichgültigkeit gegenüber dem halb geronnenen Blut an den Tag, das ihre Knöchel und Waden bespritzte. Tannhäuser stieg hinter ihr hinunter, er hielt mit Hilfe der Partisane das Gleichgewicht.
    Es war keine Miliz mehr im Haus. Von der Haustür aus schaute er über die schmale Straße und sah niemanden. Er trat hinaus und warf die drei abgebrochenen Pfeilschäfte auf das Feuer. Dann nahm er die Lederschürze ab und breitete sie über die Leiche Daniel Malans, die immer noch auf der Glut seiner verbrannten Bücher lag.
    Er ging in die Werkstatt zurück. Dort wuschen er und die Mädchen sich das Blut von Händen und Füßen und von den Waffen. Die Schwestern sprachen kein Wort. Er war zwar versucht, tröstende Worte zu sagen, schwieg aber auch. Die Mädchen legten, jede auf ihre Art, eine überraschende Ruhe an den Tag, schienen aus inneren Quellen Kraft zu schöpfen, als hätten sie beide ihr Leben lang einensolchen furchtbaren Augenblick erwartet. Vielleicht waren sie auch einfach nur benommen. Sie zogen ihre Schuhe an.
    Die Straße war noch menschenleer, und Tannhäuser führte die Mädchen eilends an dem Feuer vorüber. Die Schwestern blickten auf den Leichnam unter der

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