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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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alle viere. Ein Stöhnen kam aus ihrem tiefsten Inneren. Sie wartete auf das Crescendo des Schmerzes, und er nahm weiter zu. Ihre Ellbogen gaben nach, so dass ihr Bauch den Boden berührte, und sie drückte die Arme wieder durch. Sie atmete und keuchte. Sie spürte, dass Alice herumhumpelte. Der Tod galoppierte auf seinem wild gewordenen Rappen durch ihre Gedanken, und sein Grinsen war so lächerlich, dass sie mitgelacht hätte, wenn sie gekonnt hätte. Sie stöhnte wieder. Sie bildete sich ein, der Schmerz ließe nach, merkte dann, dass es nicht stimmte, dass es doch stimmte. Sie spürte Übelkeit in sich aufsteigen und machte sich bereit, sich zu übergeben. Die Übelkeit verging. Die Wehe verebbte. Sie keuchte auf allen vieren auf dem Küchenboden.
    Sie hörte Alice atmen und spürte ihre Hand auf dem Rücken.
    »Bleib, wo du bist, Liebes. Es ist alles gut.«
    Das hätte Carla sonst niemandem auf der Welt geglaubt.
    »Wir wollen mal sehen, wie weit du bist. Keine Angst. Atme.«
    Carla nickt dankbar und zwang sich, regelmäßig zu atmen. Sie merkte, dass Alice ihre Röcke hochhob und ihr um die Taille wickelte. Sie hielt die Augen geschlossen.
    »Du spürst jetzt meine Finger und einen kühlenden Balsam. Mandel- und Lilienöl.«
    Carla nahm Alices Finger in sich wahr. Es bereitete ihr keinen Schmerz, linderte ihn vielmehr. Die Finger waren stark und entschlossen. Sie wussten, was zu tun war. Sie untersuchten Carla genauer.
    »Großartig«, verkündete Alice. Sie zog ihre Hand zurück. »Das Leben selbst ist stolz auf dich, also lass es für dich kämpfen. Kannst du aufstehen?«
    Sie hörte Alices schweren Atem.
    »Ja, es geht mir gut. Ich brauche keine Hilfe.«
    Carla fühlte sich ein wenig verlegen, weil sie sich so hatte überwältigen lassen. Sie kniete aufrecht, stützte die Hände auf den Tisch und zog sich hoch. Sie strich ihre Röcke glatt.
    »Der Mutterboden hat sich ganz aufgelöst«, sagte Alice. »Der Muttermund ist gute zwei Finger offen, und der Kopf hat sich gut gesenkt. Besser könnte es nicht aussehen. Aber presse noch nicht, noch eine ganze Weile nicht. Du musst deine Kräfte schonen. Zeit, dass wir uns im Geburtszimmer einrichten. Kannst du eine Treppe hochsteigen?«
    »Natürlich.« Carla sorgte sich eher, dass Alice die Treppe steigen musste, sagte es aber nicht. Sie lächelte. »Ich glaube, wir haben die Pfirsiche noch nicht ganz aufgegessen.«
    »Carla, du bist eine Frau nach dem Herzen dieser alten Heidin. Und weil das ein ziemlich steinernes Herz ist, hat sie dergleichen noch nicht oft gesagt. Wir kochen noch Tee und essen die Pfirsiche auf, und dann bringen wir ein feines, starkes Kind zur Welt.«
    »Und die Karten?«
    Alice deutete mit der Hand auf die Schicksalskarten.
    »Diese alte Wölfin hätte sie nicht besser lesen können. Lass den Tod als deinen Ritter für dich kämpfen. Sprenge auf das Feuer zu.«



KAPITEL 16

I M L AND G OTTES
    Tannhäuser nahm vier Pfeile in die linke Hand, dazu den Bogen, packte noch zwei Pfeile in die Rechte und legte den siebten an die Bogensehne. Er hörte, wie die Milizsoldaten durch die Haustür getrampelt kamen. Dann lauschte er auf die kurze Stille, die auf die Entdeckung der Geblendeten, der Armlosen, der Entleibten folgte. Er lauschte auf das leise Murmeln, das Flüstern, das ihre Furcht nicht verbergen konnte. Der tollkühne Mut, mit dem diese Unternehmung begonnen hatte, war vergangen, sobald sie die Schwelle überschritten hatten. Tannhäuser fragte sich, ob er seine Karten überreizt hatte, aber nachdem sie einen Augenblick lang Kraft gesammelt und verschiedene Heilige angerufen hatten, kamen die Milizsoldaten durch den blutigen Nebel die Treppe hinauf.
    Tannhäuser zog sich in Daniel Malans Schlafzimmer zurück.
    Das Zimmer war fensterlos, und die Luft war drückend schwül. Tannhäuser merkte, dass ihm etwas auf die Stiefel fiel, und schaute nach unten. Blutklumpen glitten von seiner Schürze. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Angriffslustigsten würden als Erste kommen, vielleicht einer als Nachhut, um die anderen bei der Stange zu halten. Am gefährlichsten wären wohl die Männer auf dem Dach. Er hörte, wie sie den Angreifer fanden, den er an den Boden genagelt hatte. Er hörte Racheschwüre. Einer schlug vor, sie sollten die unbekannten Mörder in Ruhe lassen, denn offensichtlich wären es grausame Barbaren und viel zu viele. Dieser Mann wurde niedergebrüllt, obwohl nur wenige so lautstark schrien.Tannhäuser hörte

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