Die Blutnacht: Roman (German Edition)
er gegen die Friedhofsmauer gelehnt einschlief. Als er aufwachte, steckte er den Kopf zur Tür des Pfeifers herein. Christian war immer noch da und saß beim großen Meister, Papst Paul.
Dann kam Grégoire zu dem Schluss, jetzt besser Tannhäuser suchen zu gehen.
»Hat Orlandu noch beide Arme?«
Grégoire nickte.
»Sah Stefano freundlich aus?«
»Wenn sie Orlandu wehtun wollen, machen sie das nicht dort im Hôtel.«
»Woher weiß Marcel, dass ich zur Kapelle gegangen bin? Erklär mir das, Junge.«
»Er hat seine Schnüffler überall. Die Leute vertrauen den Priestern viel an, nicht nur bei der Beichte.«
Tannhäuser hatte La Fosse am vergangenen Morgen auch Vertrauen geschenkt. Und doch hatte der Schreck des Priesters – die Überraschung über die Nachricht von den Morden – aufrichtig gewirkt.
»Warum sollte La Fosse mit Marcel Kontakt aufnehmen?«
Grégoire zuckte die Achseln. »Er hat wahrscheinlich eher Petit Christian benachrichtigt.«
»Wenn La Fosse erwartet, dass ich zurückkehre, um mich um Carlas sterbliche Überreste zu kümmern, dann erwartet das auch Marcel.«
Grégoire nickte, als wäre das offensichtlich.
»Der Sarg in der Kapelle ist der Köder«, sagte Tannhäuser.
»Ja. Ich war gerade in der Kirche. Da warten Männer.«
»Haben sie dich gesehen?«
»Nein, natürlich nicht. Auch ich habe sie nicht gesehen oder gehört, sondern gerochen. Sie haben gleich hinter der Tür Käse gegessen. Zumindest einer auf jeder Seite.«
»Wo hast du das gelernt? Im Stall jedenfalls nicht.«
»Ich bin nicht im Stall aufgewachsen.« Grégoire biss sich auf die Zunge. »Was macht Ihr jetzt?«
»Wenn ich dort hingehe, bin ich im Licht der Kerzen gut zu sehen und schaue auf den Sarg. Das erwarten sie jedenfalls. Das Licht von der Straße wird auf meinen Rücken fallen. Leichte Beute. Mit dem Gewehr oder mit dem Bogen oder beides.«
»Mörder mögen die Armbrust.«
Keine Streichhölzer, kein Rauch, kein Laut.
»Marcel muss von dem Duell gehört haben«, sagte Tannhäuser. »Wenn er vorsichtig und viel Geld zu zahlen bereit ist, dann hat er vielleicht sogar vier Männer dort, zwei hinter jeder Tür.«
Die Kerle hatten ihn wahrscheinlich vorbeireiten sehen. Beinahe wäre er in die Falle getappt. Er erinnerte sich, dass er La Fosse erzählt hatte, er wollte seine Gewehre holen, wirklich dumm, vor allem, weil er sie nun nicht einmal dabei hatte. Er holte die Partisane, zog den Schleifstein hervor und spuckte darauf. Er begann die Kanten der Klinge und der Flügel zu bearbeiten.
»Marcel wird auch damit rechnen, dass ich zuerst La Fosse einen Höflichkeitsbesuch abstatte, ehe ich zum Sarg gehe. Der wird die Anordnung haben, mich zu empfangen und durch die Kirchentür zum Gemetzel zu geleiten. An Marcels Stelle hätte ich noch einen weiteren Mann im Haus versteckt, damit La Fosse bei der Stange bleibt. Der kann auch die anderen warnen, sobald ich eintreffe.«
»Marcel wird gute Leute einsetzen, keine Sergents . Gedungene Mörder. Ich glaube, deswegen war Christian bei Papst Paul. Der kann alles organisieren. Aber fünf, um einen einzigen Mann zu töten?«
»Wir wollen hoffen, dass ich mich überschätze und nur drei auf mich warten.«
»Ihr müsst doch den Köder nicht schlucken, oder?«
»La Fosse ist ein Teil des Rätsels. Und wenn ich nicht komme, dann suchen die Mörder eben anderswo. Ich möchte sie nicht hinter jeder Ecke in der Stadt vermuten müssen. Aber ich kann nicht durch diese Tür gehen.«
Tannhäuser zog einen Dolch hervor und kratzte damit eine Karte in den Sand.
»Armbrust, viel Platz, Entfernung – das ist alles zu ihrem Vorteil. Wenn nur einer außer Reichweite meiner Partisane bleibt, bin ich erledigt. Hier ist der Flur, der von der Kirche an der Sakristei vorbei zu dieser inneren Tür und dann ins Haus führt. Das ist der Engpass. Wenn ich es schaffe, dass La Fosse die anderen in den Korridor lockt, stehen sie einander im Weg und sind nah genug an meinen Waffen.«
Grégoire hörte zu, als wäre er solche Erörterungen gewöhnt.
»Dazu müsst Ihr zuerst den im Haus versteckten Mann erwischen. Aber wie?«
Tannhäuser musterte ihn einen Augenblick. Grégoire trat von einem Bein aufs andere.
»Du warst einmal ein Dieb, stimmt’s?«
Grégoire machte den Mund auf und senkte dann die Augen.
»Brauchst dich nicht zu schämen, Junge. Was habe ich vergessen?«
»Der Späher wird sie warnen, sobald Ihr das Haus betretet, vielleicht sogar, wenn ich hingehe oder Luzifer. Wenn sich
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