Die Blutnacht: Roman (German Edition)
schnell und gut machte, war der Gedanke nicht ohne Reiz. Er schloss die Augen.
Tannhäuser wachte auf, weil Clementine zu fressen aufgehört hatte. Er rollte sich auf alle viere, den Dolch fest umklammert, und schaute sich im Garten um. Niemand da. Er folgte Clementines Blick zum Eingang der Gasse.
Der kleine Hund mit seinem goldenen Halsband tauchte auf. Grégoire folgte. Seine nackten Füße und einstmals rote Kniehose waren mit Schlamm verkrustet, genau wie sein Hemd. Er grinste, und sein Gesicht war wie eine offene Wunde. Tannhäuser unterdrückte seinen Drang, sich abzuwenden. Er grinste zurück und stand auf.
»Grégoire, willkommen zurück aus dem Krieg.«
Grégoire rannte zu Clementine herüber. Sie liebkoste seinen Kopf.
Tannhäuser trug die Partisane ins Haus und lehnte sie an die Wand.
»Was macht Juste?«, fragte Grégoire.
»Er ist braungebrannt und gesund und lebt mit vier Mädchen in Saus und Braus, und in eine hat er sich verliebt. Nicht nur das, sondern ich glaube, der Zauber hat auch bei ihr gewirkt.«
Während Grégoire diesen Schreck verarbeitete, nahm Tannhäuser den Deckel vom Wasserfass und schöpfte sich warmes Wasser ins Gesicht. Er wusch sich den Staub aus den Augen.
»Es ist aber nicht eines von Tybauts Mädchen?«, fragte Grégoire mit berechtigter Sorge.
»Nein, eine andere Schwester mehr oder weniger von seiner Art. Er braucht deine Hilfe, um sie nach Polen zu bringen, wenn dich das tröstet.«
»Ich weiß nicht, wo Polen ist.«
»Das erkläre ich dir ein andermal. Erzähl mir deine Geschichte, während wir zur Kapelle gehen.«
»Nein, nicht zur Kapelle.«
Tannhäuser schaute ihn an.
»Es gibt viel zu berichten«, sagte Grégoire.
Tannhäuser setzte sich auf eine Steinbank. Die Sonne war inzwischen hinter den Straßenschluchten verschwunden. Sein Ohr musste sich erst wieder an das Grunzen und Knurren von Grégoires Stimme gewöhnen, aber mit vielen Wiederholungen und Pantomimen und vielem Nachfragen verstand Tannhäuser alles.
Nachdem sie die Brücke überquert hatten, waren Petit Christian und Marcel Le Tellier gleich zu La Fosses Haus neben der Kapelle von Sainte-Cécile geeilt. Während sie dort drinnen waren, hatte Grégoire in die Kirche geschaut und sie leer gefunden.
Als die beiden Männer wieder auftauchten, gingen sie zum Hôtel d’Aubray zurück, und Petit Christian wurde hineingeschickt, um nachzuschauen. Als er herauskam, musste er sich übergeben und erstattete dann Le Tellier äußerst aufgeregt Bericht. Marcel gab ihm Anweisungen und ritt dann in Richtung Norden zum Tempel. Grégoire folgte Christian nach Westen zu Les Halles.
»Warum hast du dich für Christian entschieden?«, fragte Tannhäuser
»Er ist der Bote. Ich wollte sehen, was er zu überbringen hatte.«
Christian betrat ein Gasthaus bei der Cimetière des Innocents, das Gasthaus zum Blinden Pfeifer, und blieb eine Weile dort. Danach ging er zu einem schäbigen Haus in der Grande Truanderie und verschwand darin. Da blieb er nicht so lange; Grégoire wusstenicht, wer dort wohnte. Dann besuchte Christian das Stadthaus von Marcel Le Tellier beim Fluss, westlich der Rue Saint-Denis. Grégoire beobachtete das Haus in der Hoffnung, Christian würde wieder herauskommen, aber der erschien nicht. Zwei Sergents bewachten die Eingangstür. Boten und Beamte kamen und gingen. Die Zeit verstrich. Grégoire wollte schon weggehen, als ein Karren vorfuhr.
Er erkannte den Kutscher: Sergent Baro. Le Telliers Mann, sein Schläger. Jeder kannte Baro. Der Karren bog südlich um das Stadthaus, und Grégoire sah hinten Stefano, den Schweizer Gardisten, sitzen.
Grégoire ging in einem großen Bogen nördlich um das Haus herum und beobachtete gerade noch, wie der Karren in den hinteren Hof einschwenkte, an einem weiteren Sergent vorüber. Er spazierte am Tor vorbei, spielte ein bisschen mit dem Hund und schaute herein. Er sah, wie Stefano Orlandu vom Karren half. Orlandu schwankte auf den Füßen, als wäre er noch benommen. Er lehnte sich auf Stefano, als die beiden mit Baro ins Hôtel Le Tellier gingen.
Grégoire ahnte, dass Christians Botengänge noch nicht beendet waren. Er zahlte einem Straßenjungen einen Sou, damit der hinten am Haus nach einem Mann in Grün Ausschau hielt, und ging selbst zur Vordertür zurück. Etwas später tauchte Christian auf, und Grégoire folgte ihm zum Blinden Pfeifer zurück.
Dort gab es das übliche Kommen und Gehen, aber Grégoire erkannte niemanden. Er wartete so lange, dass
Weitere Kostenlose Bücher