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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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hielt seinen Hund nur mit Mühe unter Kontrolle. Tannhäuser winkte ihn herbei. Er sah eine Reihe von Jungen und Mädchen mit Schleudern, Knüppeln und Klingen da stehen. Er schaute auf und entdeckte als Silhouette vor den Sternen andere auf den Dächern stehen.
    »Deine Freunde misstrauen meinen Absichten, und sie wirken ziemlich entschlossen.«
    »Kinder von Cockaigne!«, donnerte die Stimme des Mannes. »Wir haben einen neuen Bruder!«
    »Das ist mein junger Freund Grégoire.«
    »Zwei neue Brüder! Der tapfere Grégoire! Und Mattias Tannhäuser, der als grimmiger Mörder bekannt ist.«
    Grymonde wandte Tannhäuser den Kopf zu.
    »Diese Fesseln schmerzen mich mehr als die Verbrennungen.«
    Tannhäuser legte die Partisane auf den Boden. Er nahm den Bolzen aus der Armbrust und legte die Waffe neben den Speer. Er umfasste den dicken Splitter in Grymondes Bein und stützte sich mit der Linken auf dem Oberschenkel ab. Dann riss er das Holz heraus und schleuderte es in die Feuerstelle. Grymonde gab keinen Laut von sich. Dickes schwarzes Blut troff aus der Wunde.
    »Der Turm hat meinen Sturz aufgefangen. Der einzige gute Zweck, den er je erfüllt hat. Außer dass er einen Haufen Pilger in den Schlamm gequetscht hat.«
    »Der Bogen gehört meinem Freund Altan Savas.«
    »Die haben ihn als Scherz hiergelassen. Petit Christian. Er meinte, das Bild des blinden Bogenschützen wäre richtig poetisch. Es war nicht die Idee dieses kleinen Scheißkerls, mir die Augen auszustechen. Aber er hat den Befehl dazu gegeben.«
    »Wie viele hat Altan mit in den Tod gerissen?«
    »Sechs.«
    »Da seid ihr leicht davongekommen.«
    »Um ein Haar hätte er auch mich erwischt. Seltsam, was? Ein Herzschlag, und all diese Herzen hier würden noch schlagen.« Grymonde deutete mit dem Kinn auf die Toten, die er nicht mehr sehen konnte. »Wie viele Herzen hast du heute zum Stillstand gebracht, Ritter?«
    »Heute ist noch nicht vorbei.«
    »Du bist nicht der Mann, der das Zählen Gott überlässt.«
    »Keiner von denen hat auch nur die geringste Chance, an die Himmelspforte zu treten.«
    »Tu dem blinden Bogenschützen den Gefallen.«
    »Seit ich heute aufgestanden bin, etwa fünfundvierzig.«
    »Hölle und Teufel. Der arme Paul.«
    Tannhäuser schnitt Grymondes Fesseln durch. Dann reichte er Grégoire den Dolch.
    »Geh und schneide uns etwas Fleisch ab, und nimm dir auch selbst was.«
    Grymonde erhob sich auf die Füße und gestattete sich wegen seiner steifen Arme und Beine ein paar Seufzer.
    »Ich nehme den Bogen und den Köcher«, sagte Tannhäuser.
    »Mir nutzen sie nichts mehr.«
    »Halte still.«
    Tannhäuser zog Grymonde die Waffen über den Kopf und von der Schulter.
    »Ich nehme auch den Daumenring. Der steckt an deinem Finger.«
    »Ich weiß nicht mehr, an welcher Hand.«
    Grymonde tastete herum, fand den Ring und reichte ihn heraus.
    »Ist hier eine Frau, die gut mit einer Nähnadel umgehen kann?«, fragte Tannhäuser.
    »Wenn man bedenkt, dass deine Frau Schweinen in die Hände gefallen ist, kommst du mir ziemlich sorglos vor.«
    »Wir könnten beide ein paar Stiche gebrauchen.«
    »Welche Dornen die kleine Nachtigall erwarten! Hugon! Lebst du noch?«
    Köpfe wurden hin und her gewendet. Ein buckeliger Mann von etwa fünfundvierzig antwortete: »Er ist nicht da. Manche sind noch auf dem Dach.«
    »Wer ist das? Andri? Sag Jehanne, es gibt Näharbeit für sie. Und bring mir ein paar Messer. Und Stühle. Und sag bloß nicht, dass das Fass da schon leer ist, sonst gibt es Ärger.«
    Sie füllten sich die Mägen mit Schweinefleisch und hervorragendem Wein. Dank Grégoire speiste der kahle Hund so gut wie sie, während wie aus dem Nichts ein Rudel anderer Straßenköter auftauchte, aber von dem hasenschartigen Gott nichts bekam.
    »Du hast gesagt, dass Carla unversehrt war, als du sie zuletzt sahst.«
    »Kurz bevor sie mir das rechte Auge ausgestochen haben.«
    Tannhäuser zuckte bei dem Gedanken zusammen, dass Carla das alles mit angesehen hatte.
    »Ihr Gesicht war das letzte, was ich je erblickt habe«, sagte Grymonde. »Wenn ich bedenke, dass ich dem bleichen Schnitter schon länger ein Schnippchen schlage, als ich es verdiene, hat es sich gelohnt, dafür geblendet zu werden.«
    »Außer, dass du dich in ihrem Blick gesonnt hast, ist dir sonst noch was aufgefallen?«
    »Ich würde sagen, dass sie Bernard Garnier am Gängelband hatte.«
    Tannhäuser dachte nach. Das war eine hervorragende Strategie.
    Er sagte: »Darauf trinke ich.«
    »Ja.

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