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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Und wer hätte gedacht, dass wir beide etwas mit diesem großen Furzer gemeinsam haben?«
    Tannhäuser lachte, und Grymonde fiel ein, bis ihn seine Verbrennungen stoppten.
    »Hat Carla etwas gesagt?«
    »Sie sagte: › Alice ist bei mir .‹«
    »Was bedeutet das?«
    »Dass sie meine Mutter umgebracht haben.«
    Tannhäuser sagte nichts.
    »Behalte dein Mitleid gefälligst für dich«, sagte Grymonde.
    »Weder Mitleid verspürt noch angeboten.«
    »Gut. Danach sind sie fortgelaufen. Sie hatten gewonnen, aber sie wussten, dass sie uns nicht besiegt haben.«
    Jeder Gesichtsausdruck, jedes Wort reizte Grymondes versengte Nerven aufs Äußerste und ließ ihn vor Schmerzen zusammenzucken. Aber außer stummen Seufzern vernahm man von ihm keine Klage. Doch Tannhäuser konnte sehen, dass seine Verbrennungen ihn beinahe wahnsinnig machten. Tannhäuser kannte solche Brandwunden, hatte sie zum Beispiel beim mächtigen Le Mas auf dem blutverkrusteten Schlachtfeld von Sankt Elmo gesehen. Selbst Männer wie er, einer der tapfersten, die je eine Klinge geführt haben, wurden von diesen Schmerzen völlig übermannt. Tannhäuser tastete in der innen in seinen Gürtel genähten Tasche nach einer Kugel Opium und zog sie hervor. Sie war in ein Stück Öltuch eingeschlagen, das er abpellte und fortwarf.
    »Nimm dies mit etwas Wein. Es schmeckt bitter, aber das ist es wert.«
    Er legte Grymonde die weiche schwarze Kugel mit den goldenen Einsprengseln auf die Handfläche.
    Grymonde rollte sie in den Fingern.
    »Was ist das?«
    »Es ist ein Stein der Unsterblichkeit. Eine Medizin, die ich selbst nach einem Rezept von Petrus Grubenius hergestellt habe. Sie beruht auf den Entdeckungen des Paracelsus.«
    »Ja, ja, sicher. Was ist da drin?«
    »Es gibt dir einen Vorgeschmack darauf, wie es ist, als reiner Geist zu existieren.«
    »Den Vorgeschmack hat mir meine Mutter mein Leben lang gegeben. Ich habe nie hingehört. Was ist drin?«
    »Kognak, Zitronenöl, Goldflocken …«
    »Pah.«
    »Aber zum größten Teil ist es eine Kugel rohes Opium.«
    Grymonde warf sich die Kugel in den Mund und trank Wein hinterher.
    »Reicht eine? Für einen Mann wie mich?«
    »Das werden wir sehen.«
    Eine Frau namens Jehanne tauchte auf. Sie grub Tannhäuser einen ovalen Kiesel aus der Schulter und verschloss die Wunde mit einer Segelnadel und Faden. Das Gleiche machte sie mit Grymondes Platzwunde am Kopf, mit ein paar Schnitten an den Rippen und mit der Wunde am Oberschenkel, dessen Knochen unverletzt schien. Jehanne tupfte Galmeisalbe auf die Brandwunden in Grymondes Gesicht. Die weißen Streifen ließen seine Züge noch unnatürlicher aussehen und füllten die leeren Augenhöhlen mit einem gespenstischen Leuchten. Kein Künstler hatte je ein dämonischeres Antlitz gemalt.
    »Was weißt du vom Hôtel Le Tellier?«, fragte Tannhäuser.
    »Da gibt’s nichts zu stehlen, nichts, was die Mühe lohnt. Fünfzehn Zimmer vom Keller bis zum Dach. Marcel lebt allein da – außer seinem Kammerdiener, seinem Koch, seiner Haushälterin, seinem Schreiber und manchmal seinem Sohn Dominic, der …«
    »Ich kenne Dominic.«
    »Dominic hat mein Haus mit Carla und Garnier verlassen. Wahrscheinlich hat er Alice getötet.«
    Grymonde ballte die Fäuste.
    »Das Hôtel Le Tellier«, erinnerte ihn Tannhäuser.
    »Gewöhnlich ist eine Laterne über der Vordertür angezündet, wo auch ein Sergent Wache hält, nicht etwa, um Le Tellier zu schützen – denn jeder, der so großartig ist, dass er einen so großen Mann angreift, würde dazu sicher subtilere Methoden verwenden. Und was ist ein Sergent schon? Ein feiger Sack Scheiße! Nein, der Wachmeister soll die verprügelten Ehefrauen und Betrunkenen und andere abwehren, die töricht genug sind, sich bei Le Tellier Gerechtigkeit zu erhoffen. Das Châtelet ist zu Fuß drei Minuten entfernt, wenn man rennt, zehn Minuten, bis Hilfe kommt. Hinter dem Haus ist eine hohe Mauer mit einem Eisentor, dazu eine Haustür, die so dick ist, dass sie Kanonenbeschuss aushalten würde. Die Kellertür ist genauso massiv. Die Fenster im Erdgeschoss sind vergittert. Wie viele Mann ihn heute Nacht beschützen, weiß ich nicht.«
    »Marcel kann sich gar nicht vorstellen, welche Streitkraft er braucht, um mich aufzuhalten. Deswegen werden die Leute nicht da sein.«
    »Niemand hat je auch nur davon geträumt, das Stadthaus eines Commissaire zu überfallen, außer mir, und selbst ich würde es für sinnlos halten.«
    »Heute Nacht ist es sinnvoll«, sagte

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