Die Blutnacht: Roman (German Edition)
Grégoire. Halte dir den Arm über das Ohr.«
Sie rannten weiter, und immer mehr Steine pfiffen ihnen um die Köpfe und prallten in die Mauern rechts und links von ihnen. Sie hörten auch lautes Johlen, Jungen, die ihre Aufgabe erfüllten und ihr Territorium verteidigten. Tannhäuser hörte einen dumpfen Laut, und Grégoire taumelte, fiel aber nicht hin und rannte weiter.
Sie erreichten die Gasse am anderen Ende ohne weitere Verletzungen. Die Jungen aus den Höfen würden sie verfolgen, denn das machte ihnen erst recht Spaß. Da nun die Gasse ihre Steine wie ein Trichter einfangen würde, war die Aussicht nicht gerade erfreulich. Tannhäuser blieb stehen und lehnte die Partisane an eine Mauer. Er spürte, wie ihm Blut über den Rücken rann. Er gab Grégoire die Laterne.
»Haben sie dich getroffen?«
»Nur die Tasche«, antwortete Grégoire.
»Lauf weiter. Warte hinter der nächsten Ecke.«
Tannhäuser sah die Jungen grölend in einer Gruppe von sieben oder acht über den Hof laufen. Er hätte sie in die Gasse rennen lassen und dort so viele niedermetzeln können, dass die anderen nach Hause rannten. Aber als sie etwa zwanzig Fuß entfernt waren, ließ er sie den Stahl seiner Armbrust sehen.
Die Bande war schlau. Anstatt als Gruppe stehenzubleiben, zerstreuten sich die Jungen wie fliehendes Wild. Im Nu war kein Einziger mehr zu sehen. Er zog sich in die Gasse zurück.
»Geht dahin zurück, wo ich hergekommen bin«, sagte er, »und bei meiner Ehre werdet ihr dort einen sterbenden Sergent mit Taschen voller Gold finden.«
»Bei deiner Ehre?«
»Warum beugst du dich nicht vor, dass wir dir die Eier küssen können?«
Gelächter.
Tannhäuser fiel ein. Sie hörten ihn und hörten auf zu lachen.
»Die bequem zu erreichenden Früchte wachsen da hinten, Jungs. Und sie werden süß schmecken. Sichert euch den Gewinn, ehe ihn jemand anderer findet. Wenn ihr hierher kommt, erntet ihr nur Schmerzen.«
Er hörte sie flüstern. Ein Stein prallte von einer Mauer ab und in die Gasse, verfehlte Tannhäuser aber. Trotzdem bewunderte er die Absicht.
»Eure Wut ist mannhaft. Ich biete euch einen anderen Handel. Ich suche meinen Freund Grymonde, den mächtigen Infanten von Cockaigne. Bringt mich zu ihm, und ich bezahle euch fürstlich.«
»Der Infant ist tot«, meinte einer.
»Nein, das ist er sicher nicht«, erwiderte ein zweiter.
»Sie haben gesagt, es hat jemand auf ihn geschossen, und er ist vom Dach gefallen.«
»Was wissen die denn?«
»Bringt mich nach Cockaigne, das reicht«, sagte Tannhäuser.
»Woher sollen wir wissen, dass der Sergent da liegt?«
»Er hat seine schwarzen Eingeweide im Kampf verloren. Riecht ihr das nicht?«
Tannhäuser richtete die Armbrust auf eine etwas hellere Fläche. Er hörte rasche Schritte.
»Der ist allerdings blutig! Ganz frisch!«
»Warum hast du denn sein Gold nicht mitgenommen?«
»Ich habe es eilig, und ich habe selbst Gold«, antwortete Tannhäuser. »Aber das Gold des Sergent ist sicher leichter auszugeben als meines. Und der Preis ist nicht nur das Gold, denn er lebt noch. Ihr könnt ihn ausnehmen wie eine Gans und den Rest eures Lebens an den Lagerfeuern davon erzählen.«
Nackte Füße klatschten auf den Schlamm. Zwei Schatten rannten an der Mauer entlang fort. Die Kameraden rannten hinterher. Etwas weiter die Gasse entlang traf Tannhäuser auf Grégoire.
Sie eilten weiter.
Luzifer führte sie sicher durch ein Labyrinth von Gassen, blieb hier und da stehen, um zu schnüffeln oder zu pinkeln. Keiner der Wege, die er einschlug, verdiente den Namen »Straße«, aber hier in den Höfen erfüllten sie diese Funktion. Der Pulvergestank wurde beißender. Jenseits der nächsten Reihe von Hütten sah Tannhäuser eine Rauchsäule. Funken stoben in die Nacht hinauf. Tannhäuser bemerkte einen anderen Geruch und begriff, warum Luzifer so zielsicher losgerannt war. Geröstetes Schwein. Und dann ein beißender Geruch nach brennendem Haar. Vielleicht war es kein Schweinebraten? An der nächsten Ecke befahl er Grégoire, den hechelnden Hund festzuhalten und zu warten. Eine kurze Gasse führte auf einen weiteren Hof.
Er hatte das Land gefunden, wo Milch und Honig fließen.
Unzählige Leichen lagen dort. Männer, Frauen, Kinder. Manche lagen zusammengesackt, wo sie von den Dächern gefallen waren; andere waren in den Hauseingängen aufgehäuft oder lagen auf der freien Fläche. Alle schienen Bewohner von Cockaigne zu sein. Keiner bewegte sich oder stöhnte, aber die Miliz hatte
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