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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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stellte keine Fragen zu diesen Rätseln. Der Stein der Unsterblichkeit tat im Gehirn des Infanten seine Wirkung. Tannhäuser war sich unschlüssig, was er am besten machen sollte, sobald er seine Angelegenheiten im Hôtel Le Tellier abgeschlossen hatte. Im Louvre wären Carla und er nicht sicher. Da gab es zu viele Lügen zu erzählen und zu viele Lügner. Im Tempel um Zuflucht zu bitten, würde wahrscheinlich weiteres Blutvergießen erfordern, und zwar in Carlas Gegenwart. Und weitere Lügen, die ihm schwerer von der Zunge gehen würden. Er musste sich in seinen Entscheidungen nach Carlas Bedürfnissen richten. Sie war schwanger, und er wusstenicht, ob sie eine anstrengende Reise auf sich nehmen durfte. Er selbst würde Paris lieber heute als morgen verlassen.
    »Die Stadttore sind verschlossen«, sagte er. »Kennst du einen anderen Weg aus Paris heraus? Einen Schmugglertunnel oder dergleichen?«
    »Schmuggler graben nicht, die bestechen«, sagte Grymonde. »Aber die Porte Saint-Denis wird um Mitternacht geöffnet, damit sie das Schlachtvieh hereintreiben und das Getreide für die Mühlen hereinbringen können. Tausende von Tieren. Wagen. Das Châtelet kontrolliert die Tore nicht. Das machen die Truppen des Gouverneurs und die Steuereintreiber. Eintreiber treiben gern ein, wenn du bezahlen kannst.«
    »Ich habe den ganzen Tag Lohn eingestrichen.«
    »Ja, bei den Banditen in der Kirche habe ich keinen einzigen Sou gefunden.«
    »Marcel hat vielleicht ein, zwei Sergents postiert, aber nicht um mich zu verhaften. Vielmehr, um ihn zu benachrichtigen, so dass sie uns auf offener Straße verhaften können, was einfach genug sein sollte. Aber bis dahin habe ich ihm längst mein Schwert in den Bauch gerammt. Nur die Rolle der Pilger kann ich schlecht einschätzen.«
    »Du hast gesagt, dass sie nicht seine willigen Kettenhunde sind.«
    »Garnier ist ein Hund, der nur auf sich selbst hört. Aber es besteht die Gefahr, dass er mich beißen will.«
    »Warum?«
    »Heute Morgen habe ich siebzehn seiner Leute von der Miliz umgebracht.«
    Grymonde lachte. Er fluchte, als seine Brandblasen ihm schreckliche Schmerzen zufügten.
    »Und als Garnier heute Nachmittag den Verdacht hegte, ich wäre vielleicht daran beteiligt gewesen, habe ich ihn mir zum Freund gemacht.«
    Tannhäuser zog seinen Schleifstein hervor und tauchte ihn in seinen Weinbecher.
    »Marcel weiß, dass ich die Milizmänner umgebracht habe. Wenn er seine Blutfehde privat führen will – und bisher hat er genau darauf sorgfältig geachtet –, dann behält er diesen Dolch noch imÄrmel versteckt. Wenn es sein muss, zieht er ihn aber und sagt es Garnier. Garnier führt seine Leute so gut, wie Marcel es mit seinen nicht kann. Garnier ist ein Schlächter, ein stolzer, leidenschaftlicher Mann. Er glaubt an sich und seine Sache. Seine Männer glauben an ihn, nicht an seinen Rang. Garnier wird nicht von politischen Erwägungen eingeschränkt. Und heute sind sie alle trunken vor Blut.«
    Tannhäuser schliff die Schneiden seiner Waffen nach. Im Feuerschein kümmerten sich die Leute von Cockaigne um ihre Toten. Wehklagen brach aus, wenn der eine oder andere geliebte Mensch tot aufgefunden wurde.
    »Wann ziehen wir los?«, fragte Grymonde.
    »Wenn ich glaube, dass die Pilger genug Zeit hatten, sich ihre Belobigung von Marcel abzuholen. Dann wird er sie wegschicken. Er hätte es vielleicht gern, dass sie auf seiner Schwelle kampieren, aber das wäre politisch ungeschickt.«
    »Ich mag nicht mehr denken. Die Karten sind im Spiel. Also geht es bestenfalls noch um Eitelkeiten.«
    »Die Karten?«
    »Carla hat sie gezogen. Sie hat dich gezogen. Die Anima Mundi hat dich kommen sehen.«
    Tarot. Carla hatte den Karten immer misstraut, das wusste er, aber genau deswegen war er nicht überrascht, dass sie doch dafür begabt war, ihre Geheimnisse zu ergründen. Er fragte nicht, welche Karte sie gezogen hatte, die ihn darstellte.
    »Ich will töten«, sagte Grymonde. »Und dann selbst einen gewaltsamen Tod sterben.«
    Tannhäuser sah keinen Grund, warum er ihm diesen Ehrgeiz ausreden sollte.
    »So seltsam es scheinen mag«, sagte Grymonde, »ich bin merkwürdig fröhlich.«
    Von fern schallten Schreie durch die Nacht.
    Es waren immer noch Tausende von Hugenotten aufzuspüren. Die Straßen wimmelten vor Mördern. Tannhäuser machte sich sehr viel mehr Sorgen wegen der Mörderbanden als wegen Le Tellier.
    »Ihr könntet euch verstecken«, sagte Grymonde. »Es gibt hier Orte, von denen noch nie

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