Die Blutnacht: Roman (German Edition)
des Schaftes hatte bewirkt, dass der Speer zur Seite fiel und der Schmerz ihn wieder herunterzog.
Tannhäuser zog sein Schwert, legte es auf den Wagen und nahm die Partisane.
Eine Muskete donnerte. Zu weit weg für Rauch und Blitze aus der Zündpfanne. Er hörte Schreie.
Grégoires Schreie.
Tannhäuser sah, wie der Junge sich in seinem eigenen Blut und in dem von Clementine wand.
Knochensplitter schauten unter dem Hosenbein seiner neuen roten Kniehose hervor.
Der Speer, der in Justes Rücken steckte, hatte eine lange, dünne, dreieckige Spitze. Sie war über das linke Schulterblatt nach oben geglitten und hatte ihn im oberen Brustkorb getroffen, vielleicht in der Lunge. Man würde sehen.
Tannhäuser beugte sich hinunter, packte den Schaft des Speers, stellte einen Fuß auf Justes Rücken und zog die Spitze heraus. Er hob die Waffe hoch und prüfte das Gleichgewicht. Dann fuhr er herum und schleuderte die Waffe. Er hatte sich beim Herumdrehen sein Opfer unter den dreien ausgesucht, die zu langsam waren, um wegzurennen. Der Speer traf den massigsten von ihnen in die Brust, während die anderen Fersengeld gaben.
Tannhäuser zerrte Juste auf die Beine. Der Junge hatte glasige Augen.
Tannhäuser packte ihn beim Kinn und beugte sich über sein Gesicht.
»Grégoire stirbt. Geh und schneide ein Stück von den Strängen ab und binde es ihm ums Bein.«
Er gab dem Jungen einen Dolch in die Hand und klatschte ihm auf den Rücken. Juste taumelte zu seinem Freund. Als er ihn erreichte, rutschte er auf dem Blut aus und fiel neben Grégoire hin. Er rappelte sich auf die Knie und tastete mit der Linken nach einem der Stränge. Er schrie selbst vor Schmerzen auf, machte aber einen trotzigen Kampfschrei daraus. Er nahm den Riemen zwischen die Zähne und begann das Leder durchzuschneiden.
Etwas zersprang in Tannhäusers Brust.
Seine Jungen waren am Boden, wahrscheinlich dem Tod geweiht.Noch ein Musketenschuss. Er drehte sich seitwärts, um so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Zwei Gewehre. Er sah die Rauchfahnen an der Kreuzung. Dominics Wachen? Die aufsteigende Wut war höchst willkommen. Sie befreite ihn von seiner Erschöpfung und Trauer. Aus der Seitenstraße tauchten Pilger auf, mit dem gleichmäßigen Schritt ängstlicher Männer, die beschlossen hatten, mutig zu sein. Ein knappes Dutzend. In drei Reihen. Vier Speere voraus. Er ließ sie auf sich zukommen, bis sie die Musketen blockierten.
Grégoire verstummte.
Tannhäuser packte die Partisane wie eine Sense.
»Allahu akbar.«
KAPITEL 36
D ER G EHÄNGTE
Carla spürte, wie Grymonde der Schmerz durch das riesige Herz pulste, das durch sein Hemd hindurch gegen ihre Rippen hämmerte. Sie hatte schon viele Menschen an Bauchverletzungen sterben sehen. Im Hospital von Malta hatten sie diese Unglückseligen zur Seite geschoben und keinen Versuch mehr gemacht, ihnen zu helfen, denn das wäre müßig gewesen. Seine Gedärme würden von innen heraus verrotten. Sein Magen war bereits so hart wie ein Eichenbrett. Er ließ keine Beschwerde verlauten. Er war entschlossen, ihr auch die kleinste Unbequemlichkeit zu ersparen. Es war, als hätte er endlich eine Aufgabe gefunden, auf die er stolz sein konnte, und wollte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen. Verglichen mit dem Wagen waren seine Arme weich wie ein Federbett, und sie warsehr froh darüber. Doch was immer die beiden verrückten Männer behaupteten, sie wusste sehr wohl, dass ihr Gewicht seinen Schmerz verstärkte und sein Ende beschleunigte. Und sie fühlte sich schuldig.
Irgendwo in der Dunkelheit der Stadt hinter sich hörte sie Gewehrfeuer.
Sie schaute zurück und sah nichts. Sie waren nach Norden zum Fluss hin abgebogen. Sie blickte nach vorn. Hugon war unter der Last seines Gepäcks gebeugt. Beide Laternen klapperten in der einen Hand; in der anderen schleppte er ihre Gambe. Sie hätte die Gambe zurückgelassen, Mattias sicher auch, aber instinktiv wusste sie, warum Hugon sich entschlossen hatte, sie mitzunehmen. Er wollte seinen Traum nicht aufgeben. Die Zwillinge, die alle die Mäuse nannten, gingen hinter ihm. Pascale war verschwunden.
»Grymonde, bitte setze mich ab. Ich kann selbst laufen.«
»Carla, ich bitte dich. Wenn ich dich absetze, kann ich mich nur noch in den Dreck knien und darauf warten, dass dein Mann kommt und mich umbringt.« Er holte tief Luft. »Und auf diese Schande würde ich lieber verzichten.«
»Er wird dir zum Kai helfen.«
»Wenn er mich nicht als Ersatz für
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