Die Blutnacht: Roman (German Edition)
flehend von der Seite an. Er litt Todesängste. Er sah, wie Tannhäuser die Spitze seines Schwertes in Scheiße tauchte.
»Ja. Ich bin Crucé.«
Tannhäuser setzte die Schwertspitze schräg unter Crucés Kinn an.
»So wird man sich an dich erinnern. An ein Haus genagelt.«
Tannhäuser stieß zu und drehte das Schwert noch einmal. Dann ging er zum Wagen zurück und überließ den Mann seinem Schicksal, dem langsamen Ersticken am eigenen Blut.
Er lehnte die Muskete neben die Partisane und warf die Lunte auf den Wagen. Grégoire war noch bewusstlos. Tannhäuser drehte Juste zu sich herum und untersuchte dessen Wunden durch den Stoff seines Hemdes mit der Hand. Sie waren eingefettet und bluteten nicht mehr stark. Sie konnten ihn immer noch später auf viel grausamere Art umbringen, aber jetzt im Augenblick nicht. Jetzt würden sie nur schmerzen und ihn behindern. Er legte Juste den Arm quer vor den Bauch und knöpfte den unteren Teil des Hemds darüber.
»Wir geben also nicht auf«, sagte Juste.
Diese Erkenntnis schien ihn genauso benommen zu machen wie der Blutverlust und der Schmerz.
»Aufgeben? Du und ich sind jetzt noch viel vogelfreier als heute Morgen.«
Tannhäuser grinste und lockte ihm ein Lächeln hervor. Er hockte sich neben Clementines Kopf und zog ihre Lippe nach unten. Um Zähne und Nüstern war kein Blut oder Schaum zu sehen. Die Lungen waren unversehrt, und ihre Verletzungen ähnlich wie die von Grymonde. Jede Bewegung schmerzte ungeheuer. Tannhäuser schaute ihr ins Gesicht. Ein großes Auge blickte ihn an.
»Ich glaube dir nicht, altes Mädchen. Du kannst noch aufstehen für uns. Komm schon.«
Er schob seine linke Hand unter die andere Kante ihres ungeheuren Kiefers und packte mit der anderen fest in die Mähne. Er hob ihren Kopf an, verdrehte ihn entlang der Längsachse, knurrte ihrins Ohr und zog heftig, während er sich aufrichtete. Clementine drehte sich mit ihm und zog ihre Vorderläufe unter die Brust. Ein Schmerzenskrampf schien sie anzuspornen, und sie erhob sich so rasch auf alle viere, dass sie Tannhäuser beinahe vom Boden hochriss. Er dankte ihr, tätschelte sie und fühlte mit der Hand unter ihrem Sattelgurt. Ihr Bauch war straff angespannt. Er ließ die Steigbügel herunter.
»Juste, leg mir einen Arm um den Hals. Den Fuß in den Steigbügel.«
Er packte Juste bei der Taille und hob ihn hoch. Juste bekam einen Fuß in den Steigbügel und die Hand auf den Rand des Sattels. Tannhäuser schob von unten, und der Junge landete im Sattel. Clementine rührte sich nicht vom Fleck.
»Rutsch vor. Noch mehr. Hier hin.«
Tannhäuser gab ihm die Zügel. Er legte ihm die Partisane mit der Klinge nach unten gegen das Bein.
»Grégoire reitet hinter dir. Leg dir seine Arme um die Taille.«
»Wird er wieder schreien?«
»Dann wissen wir, dass er noch lebt.«
Tannhäuser hängte den Weinschlauch an den Sattel. Er ging zum Wagen, legte sich Altans Köcher und Hornbogen um. Er nahm die Lunte, blies darauf, bis sie gelb glühte, fädelte sie in die Muskete ein und zielte mit der Waffe in die Dunkelheit am anderen Ende der Kreuzung. Er konnte niemanden sehen, aber wenn noch Pilger dageblieben waren, würde sie das unter Anspannung halten. Zwischen dem Wagen und der anderen Seite der Kreuzung flackerte ein halbes Dutzend Flammen vom Boden in den Himmel hinauf. Unrat war in dunklen Haufen fünfzig Schritt weit die Straße hinunter aufgetürmt. Ihm fiel auf, dass er bis hier gekommen war, ohne einen einzigen Schuss abzufeuern. Er hatte im Prinzip nichts gegen Gewehre, und doch meinte er, die Welt wäre ohne sie ein besserer Ort.
Er zog die Lunte heraus, warf sie in die Blutlachen, zerschlug den Zündhahn am Kranz des Wagenrads und warf das Gewehr weg. Er schnitt die Sehne an Justes Bogen durch. Er hatte keinen Grund zur Verzögerung. Er fürchtete sich noch mehr vor Grégoires Schreien als Juste.
Er nahm Grégoire bei den Schultern und setzte ihn auf die Kante des Wagenbetts. Der Kopf des Jungen fiel schlaff nach vorn, und Tannhäuser legte ihm eine Hand auf die Brust. Die Rippen waren durch das Hemd hindurch zu spüren, das Herz pochte wie das eines Vogels. Tannhäuser legte ihm einen Arm um die Taille und den anderen unter die Oberschenkel. Er hob den Jungen vorsichtig hoch, trug ihn zu Clementine und warf ihn nach oben und über den Sattel, schaffte es auch, je ein Bein auf eine Seite zu bringen. Dabei verhakte sich der Beinstumpf, und Grégoire schlug um sich und schrie auf. Doch er konnte
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