Die Blutnacht: Roman (German Edition)
nicht.
Sie schob den Topf wieder unter das Bett. Sie verblieb in der Hocke, war inzwischen hellwach, als sich ihr Bauch mit einer Wehe hart zusammenzog. Sie hatte sich in den letzten Tagen an diese Krämpfe gewöhnt, seit das Kind sich gesenkt hatte und die Form ihres Bauchs anders geworden war. Vor zwei Tagen hatte sie ein wenig rosa Schleim in ihrem Nachthemd gefunden. Sie hatte nicht vorgehabt, das Kind in Paris zur Welt zu bringen, aber nun sah es ganz danach aus. Sie war nicht besorgt. Vielmehr verspürte sie eine beinahe berauschende Erregung und Erleichterung, dass die Strapazen schon bald ausgestanden sein würden.
Man kümmerte sich hier gut um sie. Symonne hätte nicht freundlicher sein können. Die Hebamme, die Symonnes vier Kinder geholt hatte, stand bereit, um ihr jederzeit zu assistieren. Ein guter Wundarzt, Monsieur Guillemeau, ein Schützling von Ambroise Paré, war am Tag zuvor vorbeigekommen und war ebenfalls bereit, im Falle von Komplikationen einzugreifen. Aber wie er gesagt hatte, war sie stark, das Kind war stark und in einer guten Lage, und sie hatte bereits zuvor ohne außergewöhnliche Schwierigkeiten Kinder geboren.
Die Einladung, mit Symonne beim Ball der Königinmutter zu musizieren, was sie für eine wunderbare Idee hielt, war zu einem Zeitpunkt eingetroffen, als sie in Hochstimmung war und einen der Energieschübe hatte, die während der Schwangerschaft immer wieder aufgetaucht waren. So seltsam es ihr nun erschien, hatte sie eine Ablehnung nicht einmal in Betracht gezogen. Sie hatte erwartet, dass Mattias rechtzeitig zurückkehren und sie begleiten würde, denn die Einladung hatte sich auch auf ihn erstreckt. Als er nicht kam und das offizielle Geleit eintraf – sechs berittene und bewaffnete Männer, die von Dominic Le Tellier befehligt wurden –, hatte die Höflichkeit sie veranlasst, ohne Tannhäuser aufzubrechen.
Die Reise war so eingeteilt, dass sie sich nicht überanstrengte.Ihre Unterkünfte waren großzügig gewesen, das Wetter war schön. Sie ritt leidenschaftlich gern, und im Sattel zu sein hatte sich als sehr viel angenehmer erwiesen, als zu stehen, zu sitzen oder zu liegen. Sie hatte die Reise genossen und spürte, dass auch ihr Kind den ersten Vorgeschmack auf Abenteuer zu schätzen wusste. Nun war sie seit zehn Tagen in Paris.
Die Wehe ebbte ab und war auch recht schwach gewesen. Doch Carla bemerkte zum ersten Mal, dass ihre Gebärmutter sich nicht wieder völlig entspannte. Bald also. Sie war froh darüber. Sie stand auf, zog ihr schweißnasses Nachthemd aus und warf es aufs Bett. Die Wehe hatte das Kind geweckt. Sie konnte es nicht nur fühlen, sie konnte sehen, wie es sich bewegte, wie ihr Bauch seine Form veränderte. Vielleicht ein Fuß oder eine Schulter. Sie lachte. Und dann fühlte sie sich allein, denn sie wünschte sich, sie hätte diesen Anblick mit Mattias teilen können.
Es war schwer, nicht an Mattias zu denken. Wenn sie es machte, sorgte sie sich um ihn. Aber seit sie nach Paris aufgebrochen war, hatte sie keinen Zorn mehr verspürt, weil er nicht nach Hause gekommen war. Dieser Zorn hatte sie teilweise dazu bewegt, die Einladung anzunehmen. Und doch hatte sie ihn geheiratet und gewusst, was sein Gewerbe war und wie abenteuerlustig er war. Über drei Jahre lang versuchte er nun schon, den Landedelmann zu spielen, die Pächter, das Vieh, die Obsthaine und Weinstöcke zu verwalten. All diese Fertigkeiten hatte er zunächst mit Freuden von ihr gelernt, aber alle waren sie so träge und langsam, dass sie beobachten konnte, wie es ihn allmählich zum Wahnsinn trieb. Tief in ihm waren die Rhythmen des Krieges und des Handels verwurzelt, nicht die der Natur. Schließlich hatte er so sehr einem an die Kette gelegten Bär geglichen, dass sie ihn gedrängt hatte, seinem Ehrgeiz zu folgen, obwohl sie sich vor der langen Trennung fürchtete. Trotzdem hatte seine letzte Abwesenheit sie verletzt, dann wütend und schließlich besorgt gemacht. Nur mit großer Mühe verdrängte sie ihn aus ihren Gedanken.
Sie ging ans hintere Fenster.
Carla hatte beide Fenster aufgelassen, um Luft hereinzulassen, und hoffte, dass die Musselinvorhänge die Mücken abhalten würden. Es war ein Tag vor dem Vollmond. Der Mond hing im Westeninmitten unzähliger Sterne und warf einen silbrig grünen Schein auf die Stadt. Sie fragte sich, ob es stimmte, dass der Vollmond die Menschen in den Wahnsinn trieb. Ihr Zimmer lag im dritten Stock. Von hier konnte sie den Turm von Saint Jacques
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