Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
Vom Netzwerk:
die Bürgermiliz in der Stadt für die Wahrung von Ruhe und Ordnung verantwortlich ist.«
    »Damit sind wir betraut, Sire. Ruhe und Ordnung sind zu jedem Preis aufrechtzuerhalten. Rebellen werden mit strengsten Strafen belegt.«
    »Er meint, das Bureau hätte euch angewiesen, alle hugenottischen Zivilpersonen zu beschützen.«
    Hervé polierte seine Münze. »Die Bürgermiliz nimmt ihre Befehle vom König entgegen.«
    »Ich habe Seine Majestät vor nicht drei Stunden gesehen, im Louvre, während wir den Rebellen mit den Schneiden unserer Schwerter die strengsten Strafen auferlegten.«
    »Gott segne Seine Majestät, dass er endlich schlau geworden ist! Und Gott segne auch Euch, Sire!«
    »Ist der Priester falsch informiert?«
    »Die hohen Herrschaften im Bureau de Ville glauben gern, dass sie alles in Paris regeln, womit sie meinen, dass sie sich die Taschen mit Gold füllen. Wessen Gold? Nun, das der Hugenotten. Hugenottische Bestechungsgelder. Hugenottische Steuern und Zölle. Deswegen schützt das Bureau sie. Natürlich ist es eigentlich unser Gold, das die Hugenotten uns ehrlichen Handwerkern abgepresst, abgeschwindelt und gestohlen haben, denn wenn es ums Geldabnötigen geht, dann werden die Hugenotten nur noch von den Juden übertroffen. Aber um Eure Frage zu beantworten, Sire, nur der König kann die Bürgermiliz einberufen, in Angelegenheiten äußerster Dringlichkeit, wenn es ums Gemeinwohl geht, worauf wir mit Mut und Ehre unser Leben aufs Spiel setzen und unsere Bürgerpflicht tun, ohne auch nur einen Sol Bezahlung.«
    Hervé holte tief Luft und wies mit dem Daumen auf die Menschenmeute auf der Place de Grève.
    »Und wie Ihr seht, hat der König uns wirklich einberufen, nicht wahr? Wir vertrauen ihm und er uns. Was nun unsere geheiligten Pflichten diesbezüglich betrifft, so könnten die Wünsche Seiner Majestät nicht klarer sein.«
    Tannhäuser erinnerte sich an die Worte, die Guise in der Rue de Béthizy gerufen hatte.
    »Es ist der Befehl des Königs. Tötet sie alle.«
    »Recht habt Ihr, Sire«, stimmte Hervé zu. »Tötet sie alle«, wiederholte er mit Begeisterung und versuchte einen königlichen Befehlstonnachzuäffen. »Und lasst keine am Leben, die auf das Grab meiner Mutter spucken oder unsere Frauen vergewaltigen oder unseren Kindern die Gurgel durchschneiden könnten.« Er grinste zahnlos.
    Tannhäuser konnte sich gerade noch beherrschen, ihm nicht in den Bauch zu treten.
    »Ich zitiere wörtlich, Sire. Doch das wisst Ihr besser als ich.«
    »Man sagte mir, dass Admiral Coligny und all seine Offiziere tot sind.«
    »Ich bin überrascht, dass Ihr nicht unsere Jubelschreie gehört habt, als wir die Nachricht erhielten. Coligny und die Oberen waren ein sehr guter Anfang, aber wie Hauptmann Crucé gesagt hat: ›Jungs! Die übrigen sind unsere Sache.‹«
    »Die übrigen?«
    »Die übrigen Hugenotten, Sire. Ich sehe, dass Ihr nicht von hier seid, also lasst Euch sagen, es sind mehr, als man denken würde. Tausende und Abertausende. Niemand schläft hier mehr als sechs Fuß entfernt von einer Hure oder drei Fuß von einer Ratte entfernt, und Paris ist so tief gesunken, dass die Hugenotten an Zahl die Huren noch übertreffen.«
    »Ihr glaubt, der König will alle Hugenotten in Paris umbringen?«
    »Alle, das bedeutet wirklich alle, nicht, Sire?«, fragte Hervé. »Weniger sind nicht alle.«
    Tannhäuser ritt weiter, Grégoire und Juste auf den Fersen.
    »Ihr könnt Euch auf uns verlassen, Sire!
    Die Place De Grève war inzwischen so überfüllt, dass Tannhäuser am Rand entlang reiten musste. Kohlenfeuer loderten, und auf eines davon warf er La Fosses Liste. Fliegende Händler machten gute Geschäfte mit Essen und Wein. Die Zahl der Huren war gewachsen. Als militärische Truppe war die Bürgermiliz ein Witz. Die Männer lungerten in ungeordneten Haufen um die Fahnen ihrer Stadtviertel herum. Sie machten eine Menge Lärm. Außer den weißen Armbinden und den Kreuzen an der Kappe trugen keine zwei die gleiche Kluft oder die gleichen Waffen. Fünfzig Schweizer Garden hätten sie alle mühelos in die Seine getrieben.
    Tannhäuser musterte ihre Gesichter. Er bezweifelte, dass unter ihnen mehr als vierzig bereits absichtlich jemanden getötet hatten. Hervé, der Gipser, hatte vielleicht mal einem Arbeitskumpanen ein Brett voller Ziegelsteine auf den Kopf fallen lassen, aber bestimmt nie jemandem einen kalten Stahl in den Bauch gerammt. Die Bürgermiliz sah genauso aus, wie sie war: fünfhundert Schuster

Weitere Kostenlose Bücher