Die böse Brut
gemieden, aber nicht die Schwestern. Sie sind immer gut zu mir gewesen und haben mich beschützt.«
»Du bist in einem katholischen Waisenhaus gewesen?«
»Das stimmt.«
»Gut«, erklärte Maxine, »das ist sogar sehr gut. Da ist die Auswahl schon nicht mehr ganz so groß. Wir werden es finden und bringen dich wieder zurück. Ich verspreche es.«
»Nein, sie sind stärker.«
»Das werden wir sehen.«
Maxine Wells wusste selbst, dass sie den Mund etwas vollgenommen hatte. Noch kannte sie keine Lösung, wie sie es schaffen sollte, Damiano aus der Gefahrenzone zu bringen. Bis John Sinclair eintraf, würde noch Zeit vergehen, und diese Stunden mussten sie einfach überstehen.
»Ab jetzt ist es wichtig, dass wir Damiano nicht mehr allein lassen«, sagte sie. Diese Worte hatten Carlotta gegolten. Sie wurden begleitet von einem sehr eindringlichen Blick.
»Was soll ich denn tun, Max?«
»Nimm ihn mit in dein Zimmer.«
»Und dann?«
»Er ist sicherer bei dir. Wenn sie tatsächlich kommen, kannst du mit ihm durch das Fenster fliehen und auch mit ihm wegfliegen. Das ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe.«
Das Vogelmädchen überlegte. Es suchte nach Gegenargumenten, aber es fand keine.
»Geht!«
»Ja, Max, du hast Recht. Es ist wohl besser, wenn wir zusammenbleiben.« Sie streckte dem Jungen die Hand entgegen.
Damiano schaute sie scheu an. Einige Sekunden verstrichen. Dann nickte er.
Maxine fiel ein Stein vom Herzen. Sie freute sich darüber, als sich der Junge vom Bett hochziehen ließ und wenig später an Carlotta’s Seite stand. »Ich passe schon auf, Damiano, du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind wie Geschwister und Verbündete. »Ich kann fliegen, und du kannst Gegenstände bewegen. Ist das nicht toll? Nur zusammen sind wir stark, nur gemeinsam.«
»Ja, aber die anderen sind es auch.«
»Aber wir sind besser!«
Die Tierärztin war froh über die Antworten. Höchstpersönlich öffnete sie die Tür.
Hand in Hand verließen die beiden das Zimmer, und sie wirkten tatsächlich wie Geschwister.
Erst als sie in Carlotta’s Zimmer verschwunden waren, atmete Maxine auf. Es war eine verdammt schwere Hürde gewesen, die sie übersprungen hatten. Damiano war ein besonderer Mensch. Er gehörte zu denen, die für die Wissenschaft wahnsinnig interessant waren, aber davon wollte Maxine nichts wissen. Mit einem verbrecherischen Wissenschaftler hatte sie böse Erfahrungen gemacht. Wenn sie darüber nachdachte, wie sehr sich ihr Leben in der letzten Zeit verändert hatte, konnte sie nur den Kopf schütteln. An so etwas, was ihr widerfahren war, hätte sie früher nicht mal im Traum gedacht. Aber die Welt war eben anders und vielschichtiger, als man sie normalerweise in den Medien präsentiert bekam.
Maxine Wells ließ eine Weile verstreichen, bevor sie in das Zimmer ihrer Ziehtochter ging.
Carlotta saß auf einem Stuhl. Der Junge stand am offenen Fenster und schaute hinaus. Er drehte sich nicht um, obwohl er Maxine gehört hatte.
»Wie geht es ihm?«, flüsterte die Tierärztin Carlotta zu.
Das Vogelmädchen zuckte die Achseln.
»Nichts?«
»Er ist nervös. Er rechnet damit, dass sie ihn bald gefunden haben. Sie geben nicht auf. Sie stehen mit dem Teufel im Bunde, sagt er. Sie wollen ihn haben, um dem Teufel zu zeigen, was es alles für Menschen gibt, glaube ich. Er soll in ihre Fußstapfen treten. Sie wollen ihn für andere Aufgaben bereit machen.«
»Weißt du für welche?«
»Nein. Aber ich kann es mir denken. Wenn er seine Kräfte voll ausnutzt, dann wird es für andere Menschen gefährlich. Sie sind ja da. Man muss sie nur verstärken.«
Carlotta war für ihr Alter sehr erwachsen. Man konnte sie als hochintelligent bezeichnen, und sie hatte damals in dem Labor eine gute Ausbildung bekommen, denn schon dort hatte man ihre Intelligenz erkannt.
Seine Gabe und die Macht des Teufels...«, murmelte die Tierärztin vor sich hin.
»Was sagst du?«
»Ach nichts.«
»Jetzt steht er am Fenster«, sagte Carlotta leise und drückte die Hand ihrer Ziehmutter. »Er schaut hinaus, weil er damit rechnet, dass sie bald hier sein werden. Sie sind schlau, und sie verlassen sich auf die Hilfe der Hölle.«
»Wäre es nicht besser, wenn ihr beide dann verschwindet und nur ich hier bleibe?«
Carlotta war überrascht. Sie schaute auf den Rücken des Jungen und fragte: »Ist das dein Ernst?«
»Mein voller.«
»Und wo sollen wir hin?«
»Irgendwo. Zum Strand meinetwegen. An einen Ort, der nicht so leicht zu
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