Die böse Brut
Tierärztin konnte sehr stur sein. Und hier war es angebracht, denn sie wollte sich nicht so einfach abspeisen lassen. Sie dachte auch an einen Fall, der noch nicht zu lange zurücklag. Da war es um außerirdische Besucher gegangen, und sie war von einer Freundin um Hilfe gebeten worden. Konnte es sein, dass sie in Damiano ebenfalls einen Außerirdischen vor sich hatte?
Diese Möglichkeit schloss sie nicht mehr aus, und sie fragte ihn direkt. »Kannst du mir sagen, wer deine Eltern sind?«
»Weiß nicht.«
»Das heißt, du kennst sie nicht?«
»Ja.«
»Wo bist du aufgewachsen?«
Damiano hob die Hände und strich über seine Stirnhälften. »In einem Heim.«
»Wunderbar.« Maxine lachte. »Da hätten wir schon eine Spur. Es war bestimmt ein Waisenhaus.«
»Kann sein.«
»Und wo müssen wir es suchen?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Du kennst es nicht?«
»Es ist weiter weg.«
Die Antwort enttäuschte Maxine. Sie hatte damit gerechnet, das Waisenhaus hier zu finden, aber wenn der Junge diese Antwort gab, musste sie ihm glauben.
»Bist du geflüchtet?«
»Nein. Sie haben mich geholt.«
»Ah – verstehe.« Maxine nickte. »Es sind wohl die vier Männer gewesen, die dich geholt haben, nicht wahr?«
»Ja, das ist so.«
»Und warum bist du vor ihnen geflohen?«
»Sie waren schlecht.«
»Das hat du gespürt?«
»Sehr genau. Sie waren böse. Sie haben die Kirche gehasst. Sie trauten sich nicht hinein. Sie nannten sich die Auserwählten, aber das sind sie nicht. Sie töten, sie sind sehr grausam, und mich wollten sie haben, weil ich mehr kann.«
»Das haben wir erlebt«, stimmte ihm Maxine zu. »Konntest du dich denn nicht gegen sie wehren? Du mit deinen Kräften?«
»Nein.«
»Sind sie denn so stark?«
»Ja.«
Maxine lächelte ihm zu. »Gut, dass du etwas Vertrauen gefasst hast. Wenn sie so stark sind, müssen wir Zusammenhalten. Dann können wir es vielleicht gemeinsam schaffen.«
»Nein.« Er senkte den Kopf und schüttelte ihn. »Nein, das ist nicht möglich. Sie sind zu mächtig. Sie lieben das Böse. Sie mögen den Teufel, und jetzt wollen sie mich.«
»Warum?«
»Weil ich ihnen noch etwas beibringen kann, was sie nicht können. Sie sind Menschen mit normalen Kräften, und sie wollen, dass ich zu ihnen komme.«
»Und was ist mit dem Teufel?«
»Sie haben sich ihm geweiht. Sie vertrauen auf ihn. Sie hassen alles, was gut und edel ist.«
Maxine setzte sich auf die Bettkante. Der Junge drehte sich nicht weg.
Ein Beweis, dass er zu ihr Vertrauen gefasst hatte. »Aber du tust das nicht – oder?«
»Nein!«, erwiderte er, und seine Stimme klang überzeugt. »Ich nicht. Ich weiß, dass ich anders bin und diese ungewöhnlichen Kräfte habe, aber ich bin anders aufgewachsen. Das hat man mir im Waisenhaus mit auf den Weg gegeben. Man muss Gott und die Menschen lieben, aber das tun sie nicht.«
»Es war ein sehr guter Rat, mein Junge.« Maxine streichelte seine Wange, was er zuließ.
Carlotta mischte sich jetzt ein. »Es ist toll, dass du sein Vertrauen gewonnen hast, Maxine. Du bist super...«
»Danke, aber irgendwo muss man ja anfangen, schätze ich. Damiano ist eine Rarität«, erklärte sie. »Vielleicht gibt es jemand wie ihn nur ganz, ganz selten unter Hunderten von Millionen. Ja, daran glaube ich sogar, und wir müssen alles daransetzen, um ihn zu retten. Diese vier Verfolger gehören meiner Meinung nach zu einer Teufelssekte, die Damiano für ihre Zwecke einsetzen will. Sie sind grausam, sie sind brutal. Menschenleben spielen keine Rolle für sie. Du brauchst nur daran zu denken, dass sie den Pfarrer erschossen haben. Einfach so. Sie haben Damiano ein Zeichen auf die Stirn gemalt, aber es ist eine Null. Er gehört noch nicht ganz zu ihnen, was sich sicherlich später mal ändern soll.«
Carlotta nickte und schaute auf die Hände des Jungen. »Warum werden sie wohl blau?«
»Ich weiß es nicht.«
»Willst du ihn nicht fragen?«
»Gut, das kann ich machen.«
Maxine stellte die Frage und beobachtete Damiano dabei. Sie sah, dass er nach einer Antwort suchte und sie nicht fand.
»Hast du wirklich keine Erklärung?«
»Nein, aber es ist so. Ja, es ist so. Ich kann nichts anderes sagen. Ich war auch schon immer anders im Heim. Ich sehe anders aus. Ich glaube manchmal, dass ich ein ganz anderer bin. Mein Gesicht ist so glatt, die Haut ohne Falten. Das ist wohl mein Schicksal, denke ich. Es wurde mir mit auf den Weg gegeben. Ich war fast immer allein. Die anderen Kinder haben mich
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