Die böse Brut
bewegte sich durch ihren Körper, wie aus unzähligen Befehlen zusammengesetzt. Sie hatte vor, auf das Bett zuzugehen, doch nicht mal die Füße konnte sie bewegen, weil die andere Seite zu stark war.
Dann bewegte sich Maxine doch!
Nur nicht dank ihres Willens, denn die andere Macht war stärker. Sie trieb die Tierärztin zurück, deren Füße zugleich den Kontakt mit dem Boden verloren.
Sie schwebte nach hinten!
Erst die Wand hielt sie auf.
Sie spürte den Druck und war froh darüber, denn er vermittelte ihr ein Stück Realität. Aber sie sank nicht zu Boden. Sie blieb an der Wand wie festgenagelt und stand völlig unter dem Einfluss dieses ungewöhnlichen Jungen.
Mal schaute er zu Carlotta hin, mal blickte er Maxine an. In seinen Augen stand noch immer diese andere Kraft, die Hände hatten ihre andere Farbe ebenfalls nicht verloren, aber er sagte kein Wort.
Bis er plötzlich aufstöhnte, den Kopf senkte und ihn schüttelte.
Das war genau der Augenblick, in dem die Normalität wieder zurückkehrte.
Maxine fühlte sich erlöst. Sie bewegte sich normal wie immer. Der Bann war gebrochen, und sie sah, dass Carlotta aus ihrer Position zu Boden fiel, als wäre sie von einer niedrigen Kommode gesprungen. Eine Sekunde später waren die unheimlichen Vorgänge nur noch Erinnerung, jedoch eine, die sich in den Köpfen der beiden festgesetzt hatte und die sie nie mehr verlieren würden.
Es wurde still im Raum, sehr still...
Maxine bewegte sich als Erste. Sie strich mit einer fahrigen Bewegung durch ihr dunkelblondes Haar, in dem sie vor einigen Tagen einige graue Strähnen entdeckt hatte. Ihr Puls raste, und sie hatte eine Gänsehaut bekommen. Sie dachte fast verzweifelt darüber nach, was geschehen war.
Es gab für sie keine Antwort. Zumindest keine normale. Das hier war alles anders. Das hatte die Realität verloren, und ihr fiel ein Begriff ein: Telekinese. Dieser Junge schaffte es allein durch die Kraft seiner Gedanken, fremde Dinge zu bewegen, ob es nun tote oder lebendige waren.
Er war ein außergewöhnliches Kind. Ein Wunderkind. Deshalb also waren die Verfolger hinter ihm her. Sie wollten nicht, dass er und damit sein Wissen in fremde Hände gerieten. Zumindest konnte sie sich kein anderes Motiv vorstellen.
Maxine’s Gesicht war noch immer vom Staunen gezeichnet, als sie den ersten Schritt auf das Bett zuging, in dem der Junge saß und ins Leere schaute.
Carlotta tat nichts. Sie stand wie verloren in der Mitte des Zimmers, und ihr Blick war nach innen gerichtet, als würde der ganze Vorgang noch mal vor ihren Augen ablaufen.
Der Tierärztin war klar, dass sie die Initiative ergreifen musste. Sie war erwachsen, sie konnte sich besser ausdrücken als ein Kind, und so ging sie bis zum Bett und blieb dort stehen. Sie schaute den Jungen an.
»Ist es das?«, fragte sie, »was dich von den anderen abhebt? Ist das deine Bestimmung und dein Fluch zugleich?«
»Ja...«
»Und weiter?«
»Sie suchen mich.«
Maxine schüttelte den Kopf. »Mehr hast du mir nicht zu sagen, Damiano? Ich hätte wirklich gern eine Erklärung, wie es möglich ist, dass du derartige Kräfte besitzt.«
Er gab keine Antwort und schaute auf seine Hände, die allmählich wieder eine normale Farbe erhielten. Dann zuckte er mit den Schultern.
Maxine befürchtete, dass er sich wieder in seine eigene Welt zurückzog, und stellte deshalb sehr schnell die nächste Frage. »Wo kommst du hier, Damiano?«
Der Junge schüttelte den Kopf.
Die Tierärztin atmete tief ein. »Bitte, du musst mal sprechen. Es kann nicht sein, dass du keine Vergangenheit hast. Du musst irgendwo hergekommen sein. Kein Mensch entsteht einfach so, verstehst du? Und du bist kein Roboter.«
Er schaute sie an.
Unergründlich waren seine Augen. Sie sahen auch nicht mehr so schwarz aus, weil sich in dieser Stellung das Licht der Lampe darin fing und sie zu Edelsteinen gemacht hatte, die in der Mitte ihr Funkeln abgaben.
»Sie haben mich gefunden. Sie sind die Auserwählten und wollten mich auch dazu machen.«
»Und deshalb tragen sie Zahlen auf der Stirn, wie mir Carlotta berichtet hat?«
»Ja.«
»Was ist mit dir?«
Damiano hob seine Hand. Mit einem Finger zeichnete er die Null auf seiner Stirn nach. »Ich gehöre noch nicht ganz dazu. Sie wollen mich erst zu einem der ihren machen.«
»Verstehe. Und das, weil du etwas Besonderes bist – oder?«
»Bin ich das?«
»Oh ja, das bist du.«
Er hob die Schultern, schaute Maxine noch einmal an und legte sich hin.
Die
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