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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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schüttelte den Kopf. » Hinner sagt, es sind wilde Hunde. Drei große. Die sind schlimmer als Wölfe. Seit Wochen kommen sie immer wieder. Ich habe Angst, aus dem Dorf zu gehen. Vielleicht haben sie die Hundswut.«
    Jung-Friedrich lutschte sorgfältig seinen mit Bratfett verschmierten Zeigefinger ab und zog überheblich die Brauen nach oben. » Das kommt davon, wenn die Leute ihren Hofhunden nicht das Wildern austreiben. Warum bringen eure Männer sie nicht zur Strecke? Es kann doch nicht so schwer sein, drei Hunde zu erlegen.«
    Die junge Frau wurde rot, zog die Schultern hoch und schwieg. Cord sah aus dem Augenwinkel, wie Hedwig, die ihm schräg gegenübersaß, sich aufrichtete. » Der Grundherr zwingt sie, ihren Hofhunden schon als Welpen die Beine zu brechen, damit sie nicht hetzen und wildern können. Es ist schwierig für sie, Wölfe oder wilde Hunde abzuhalten oder aufzuspüren, wenn sie selbst keine gesunden Hunde haben.«
    Nun war es an Jung-Friedrich zu erröten. » So. Und woher kommen dann diese wilden Hunde, wenn es keine entlaufenen Hofhunde sind? Was sind das für rätselhafte Tiere?«
    » Bracken, Herr. Hinner sagt, es sind Bracken«, sagte die junge Frau leise, ohne ihren Blick zu heben.
    Cord schnaubte halb belustigt, halb angewidert. Hunden die Beine brechen zu lassen, ekelte ihn an, deshalb konnte er eine gewisse Häme nicht leugnen. » Also können wir davon ausgehen, dass der Grundherr selbst nicht auf seine Hunde aufgepasst hat. Da sind ihm seine kostbaren Bracken in den Wald entwischt und verwildert. Und nun fürchten sich die Leute womöglich auch noch, sie zu töten, weil sie dem Herrn gehören.«
    Die Frau hob erschrocken den Kopf und sah ihn an. » Das hat Hinner nicht gesagt, Herr.«
    Cord schüttelte spöttisch den Kopf. » Nein, das habe nur ich gesagt.«
    » Wenn wir die Hunde sehen, töten wir sie«, sagte Hedwig. Er hörte, wie verärgert sie über die Sache war, und fühlte ebenso. Eine neue Woge von Zuneigung für sie überkam ihn.
    Wilkin nickte mit gleichgültiger Miene. » Wenn wir sie sehen. Aber wir können unsere Reise nicht unterbrechen, um Hunde oder Wölfe zu jagen.«
    » Das wäre zweifellos unsinnig«, stimmte Jung-Friedrich zu.
    Nun tat Cord doch, was er seit Tagen vermied, und sah Hedwig in die Augen. Das erregte Funkeln darin verriet ihm, dass sie womöglich aufspringen, ihren Bogen ergreifen und in den Wald marschieren würde, um Hunde zu erlegen. Unwillkürlich hob er die Hand und warnte sie wortlos mit ausgestrecktem Zeigefinger, so wie er es früher getan hätte. Stumm fochten sie mit ihren Blicken einen hitzigen Kampf aus, der nur endete, weil Jung-Friedrich sich erhob. » Ich wünsche jedenfalls, nun zu Bett zu gehen und morgen sehr früh weiterzureisen.«
    Wilkin stand ebenfalls auf und verbeugte sich vor Hedwig, damit sie ihn zu Bett begleitete. Sie zögerte nur einen Atemzug lang, bevor sie sich erhob und mit ihm ging.
    Die Eifersucht traf Cord wie ein Keulenschlag. Er wünschte Wilkin zur Hölle, wünschte Hedwig hinterher. Warum hatte sie sich so leicht damit angefreundet zu heiraten? Wie hatte es geschehen können, dass Wilkin so rasch in ihrer Gunst aufstieg? Er hasste sie beide. Und liebte sie. Und hätte sich gern betrunken, wenn es mit dem dünnen Bier der Bauern möglich gewesen wäre.
    » Armer Cord«, sagte Irina leise.
    Er hatte sie vorher nicht sehen können, als Hedwig noch an ihrem Platz gesessen hatte. Dass sie nach ihrem langen Schweigen wieder mit ihm sprach, war überraschend, konnte ihn aber nicht von seinem brennenden Leid ablenken. Sein Verstand war völlig gefesselt davon, seinen Freund, dessen Eheweib und sich selbst zu verfluchen.
    Irina zuckte mit den Schultern und verließ die Tafel, kehrte allerdings kurz darauf zurück, in den Händen einen Weinschlauch, den sie wer weiß wo aufgetrieben hatte.
    Schweigend setzte sie sich neben ihn und füllte zwei Krüge, schweigend tranken sie, und schweigend teilten sie später heimlich ihr in einem Schafstall verborgenes Lager. Halb betrunken liebte Cord Irina, als sei sie eine andere, und noch etwas betrunkener liebte sie ihn, als sei er ein anderer, längst von ihr Gerissener. Sie wussten es beide voneinander und fühlten sich gerade deshalb für diese eine Nacht getröstet.

    Hedwig hatte vom ersten Tag der Reise an wieder stets ihren Bogen und den Köcher griffbereit über dem Rücken getragen. Als sie am Morgen das Dorf verließen, rechnete sie damit, ihn an diesem Tag zu benutzen.

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