Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
ganzes Wolfsrudel wäre kein Gegner für ihn.«
Sie erreichten Krakau ohne ernste Zwischenfälle und brachten Jung-Friedrich wohlbehalten an den polnischen Königshof zurück. Obgleich Jung-Friedrich unterwegs umgänglich und gesprächig mit seiner Begleitung gewesen war, vergaß er seine Reisegefährten, sobald er im Innenhof der Krakauer Burg abgesessen war. Er begann sogleich, eine Mischung aus Polnisch und Latein zu sprechen, aus der Hedwig nur gelegentlich ein lateinisches Wort heraushörte und verstand.
Sie überlegte noch, ob sie Tiuvel dem fremden Pferdeknecht anvertrauen konnte, der sie in Empfang genommen hatte, da war Jung-Friedrich schon ins Innere des Wohngebäudes verschwunden.
Zehn Tage verbrachten sie am polnischen Hof und sahen ihren Schützling nur noch aus der Ferne, im Kreis seiner Verlobten und ihres Gefolges. Zehn Tage hatten es eigentlich nicht werden sollen, doch nach den geplanten sechs beschloss der Herbst, dass seine Zeit gekommen war, und vertrieb mit schweren Stürmen und Regen den Sommer. An eine Weiterreise war vorerst nicht zu denken. Hedwig, die sich unter den Burgbewohnern, deren Sprache sie nicht verstand, fremd und nur geduldet fühlte, war froh, Irina und Hüx bei sich zu haben. Wilkin, der ausgezeichnet Latein sprach, bemühte sich zwar, Zeit mit ihr zu verbringen, wollte sich aber auch den polnischen Höflingen seines Ranges widmen.
Cord hingegen hatte mit Dieter und dem größten Teil des brandenburgischen Geleitzuges Krakau bereits am dritten Tag nach ihrer Ankunft wieder verlassen. Als die Stürme losbrachen, wurde Hedwig bewusst, dass sie sich um ihn sorgte. Sie schalt sich dafür. Nachdem sie sich über all die Jahre hinweg nicht um ihn gesorgt hatte, war es lächerlich, sich nun Gedanken darüber zu machen, ob er in einem Unwetter zu Schaden kommen würde. Wie sollte es in der kommenden Zeit werden, wenn er in den Krieg zog? Sie würde es nicht so bald erfahren, wenn ihm etwas zustieß, und musste sich damit abfinden, dass ihr keine Sorge um ihn zustand. Ihre Liebe und Sorge mussten ihrem Gatten gehören. Sie durfte sich glücklich schätzen, dass Wilkin sie so bereitwillig auf seine Reise mitgenommen hatte und sie nicht unter Ungewissheit leiden musste, was ihn betraf. Tatsächlich war sie nicht nur deshalb gern bei ihm. Sie war von Tag zu Tag stolzer, seine Gemahlin zu sein. Er war so gewandt darin, sich bei Hof zu bewegen, und machte dabei einen so schmucken Eindruck, dass sie ihn nur bewundern konnte. Und wenn sie sich am Abend in einem der kleinen Nebensäle auf den Strohmatten und Kissen unter eine gemeinsame Decke legten, dann war sie umso stolzer, weil er keinen Hehl daraus machte, wie sehr er gerade sie verehrte und begehrte. Er staunte rührend darüber, dass sie es genoss, mit ihm zu liegen, doch gleichzeitig schien er ein wenig bedrückt davon.
Sie wagte es, ihn danach zu fragen, als sie ihn wieder einmal ermattet in den Armen hielt.
Er schwieg eine Weile, dann küsste er ihre Wange und ihre Lippen. » Der Mann soll sich in der Liebe zu seiner Gemahlin mäßigen und ihr nicht häufiger beiwohnen als nötig. Wollust bleibt auch in der Ehe eine Sünde, in die ich dich hineinziehe, weil du dich mir nicht verweigern sollst. Ich müsste es fertigbringen, mich zu mäßigen.«
Für Hedwig hatte die Idee von Sünde und Verdammnis erst in jener Zeit eine klare Gestalt gewonnen, als sie ihre Tante Agnes und deren Pater kennengelernt hatte. Vielleicht war ihre geistliche Erziehung wirklich ein wenig zu spät gekommen, denn sie konnte es nie lassen, sich über die Gebote zu wundern, die angeblich vom Allmächtigen aufgestellt worden waren. Wenn er es wollte, dass seine Geschöpfe sich mehrten, und es mit Lust verbunden hatte– warum betrachtete er diese Lust als Sünde? Und was war für das Weib wichtiger: dem Manne gehorsam zu sein oder die Sünde zu meiden? Hedwig maßte sich nicht an, Gottes Beweggründe verstehen zu können, dennoch weckte die Sache ihren Trotz. Wenn sie eines Tages von ihrem ewigen Richter ihre Sünden aufgezählt bekam, so wollte sie um eine Erklärung bitten.
Sie streichelte ihrem Gemahl den Nacken und lächelte ihn an. » Sorge dich nicht, mein Lieber. Unser Herrgott gebietet Eheleuten › so oft wie nötig‹, damit sie selbst entscheiden. Solange wir uns einig sind, was nötig ist, sündigen wir nicht.«
Wilkin schnaubte belustigt. » Nein, ich fürchte, so einfach ist es nicht. Es obliegt dem Manne, seine Gelüste zu bezwingen.«
Mit
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