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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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wieder hier.«
    Er nickte, beugte sich zu ihr herüber und klopfte Tiuvel den Hals. » Er wird Euch schon sicher wiederbringen. Viel Glück.«
    Hedwig wartete nicht länger, sondern trieb ihren Schwarzen an. Nachdem sie sich von den anderen getrennt hatte, ließ sie ihn galoppieren, wie es ihm angenehm war, und er ging so sicher, dass er nicht ein einziges Mal stolperte. Schnell hatten sie die Weggabelung erreicht. Ein weiteres Mal musste sie sich kurz darauf für eine von zwei Richtungen entscheiden. Sie folgte ihrem Instinkt, ohne innezuhalten, und nach einer Weile stieß sie auf Schafhürden, Ställe und baufällige Scheuern. Bevor sie jedoch das Dorf erreichte, das sie in der Nähe ahnte, aber noch nicht sehen konnte, traten ihr ein Stück voraus Menschen in den Weg. Fünf winterlich vermummte bäuerliche Gestalten mit Forken und Äxten in den Händen versperrten ihr den Durchgang, sodass sie Tiuvel bereits in sicherem Abstand von ihnen zügelte. Sie hätte sich weniger Sorgen gemacht, wenn nicht einer der Bauern einen schussbereiten Bogen gehalten hätte.
    Bei aller Vorsicht hätte sie etwas dafür gegeben, sich diese Waffe einmal genauer ansehen zu dürfen. Der Bogen war nur halb so lang wie ihr eigener und auf seltsame Weise geschwungen. Sie erinnerte sich schwach daran, dass der Bogenbauer ihres Onkels ihr einmal von solchen kurzen Bögen erzählt hatte, die bei den Reitervölkern des Ostens üblich waren.
    Langsam streckte sie den Leuten ihre leeren Hände entgegen, um zu zeigen, dass sie unbewaffnet war. » Hilfe. Wir brauchen Hilfe«, sagte sie.
    Die Gestalt mit dem Bogen kam einige Schritte näher und musterte sie scharf. » Egy asszony«, sagte sie, und dann äußerte sie noch einige Sätze im selben Kauderwelsch. Hedwig verstand nichts, stellte jedoch verblüfft fest, dass es sich um ein Weib handelte, das ihr da entgegengetreten war.
    Zu ihrer Erleichterung senkten alle die Waffen, als hätten die Worte der Frau sie beruhigt. Ohne dem Frieden ganz zu trauen, stieg sie vom Pferd und ging mit Tiuvel am Zügel auf die Fremde zu. Auch aus der Nähe musste sie genau hinsehen, um in ihr eine Frau zu erkennen, denn sie trug keinen Rock, sondern merkwürdig weite, pludrige Beinkleider unter einem langen Wams und dicken Jacken. Auch ihr Kopf war gegen die Kälte verhüllt, sodass kaum etwas frei blieb. Ihre Augen waren von auffallend schönem, goldenem Braun, ihre Brauen schwarz.
    » Hilfe?«, fragte die Frau. » Was Hilfe?«
    Obgleich sich herausstellte, dass sie einige deutsche Worte beherrschte, konnte Hedwig ihr nicht erklären, was ihr Anliegen war. Immerhin gelang es ihnen, ihre Namen auszutauschen, was Hedwig Hoffnung gab.
    Schließlich zog sie Borbála, die sich auch Bori nannte, hinter sich aufs Pferd, um sie mit zu ihren Reisegenossen zu nehmen und ihr zu verdeutlichen, worum es ging.
    Die Bauern, die auf dem Weg zum Dorf zurückblieben, hatten sich als alte Leute und halbwüchsige Knaben entpuppt, die Bori nun besorgte Worte nachriefen, deren Bedeutung Hedwig sich denken konnte.
    Bori hielt sich mit dem einen Arm um Hedwigs Taille fest und winkte mit der anderen Hand, in der sie ihren fremdartigen Bogen hielt, ab. Offenbar war sie es gewohnt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, was Hedwig gefiel. Weniger Geschmack fand sie an dem Geruch, der von ihrer neuen Bekannten ausging. Sie stank wie eine schmutzige Ziege. Allerdings wollte Hedwig sich nicht dafür verbürgen, dass ihr eigener Geruch nach der tagelangen Reise wesentlich angenehmer zu ertragen war. Sie hütete sich, deshalb abfällig über Borbála zu urteilen.
    Irina, die am Rande des Lagers auf und ab gegangen war, sah sie zuerst und rief es den anderen zu, bevor sie ihr entgegengelaufen kam. Hedwig war froh, dass sich der Zustand ihrer Freundin trotz der schlimmen Lage gebessert hatte. Sie hustete zwar, war aber dem Fieber bisher entgangen. Ihre kleine Freude schwand dahin, als Irina flüchtig Bori musterte und dann zu ihr aufblickte. » Hoffentlich hast du Hilfe gefunden. Deinem Gatten geht es schlecht und Thomas noch schlechter. Es ist ein Wunder, wenn wir sie wieder auf ihre Pferde bekommen. Wenn sie noch eine Nacht hier draußen bleiben müssen, glaube ich nicht…«
    Hedwig duldete nicht einmal für einen Augenblick den Gedanken, dass die Rettung zu spät kommen könnte. Ohne zu zögern und auch ohne weitere Erklärungsversuche Borbála gegenüber nahm sie die Befehlsgewalt an sich und sorgte dafür, dass alle sich wieder in Bewegung

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