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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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winterlich blasse aufgehende Sonne machte sich zuerst dort bemerkbar, wo das Tal sich weitete. Wenigstens wusste sie damit, dass sie sich nach Osten bewegten. Um nach Ofen zu gelangen, hätten sie nach Süden ziehen müssen, doch darum machte sie sich keine Sorgen. Das Wichtigste war, hilfreiche Menschen zu finden.
    Der Gedanke daran, wie langsam sie gemeinsam vorankamen, ließ sie schon im Voraus ungeduldig werden. Am liebsten wäre sie mit Tiuvel auf Kundschaft geritten, sobald es hell genug war. Einen Augenblick lang spielte sie mit dem Gedanken, Hüx statt Wilkin zu wecken und es einfach zu tun. Sie war schnell und würde das Dorf rasch finden, wenn es in der Nähe war. Vielleicht wäre sie zurück, bevor die anderen zum Aufbruch bereit waren.
    Wilkin allerdings würde außer sich sein, wenn er erwachte und von ihrer erneuten Eigenmächtigkeit erfuhr. Kurz wallte ihr Ärger wieder auf, aber ihre Sorge um ihn blieb stärker. Sie würde noch mit ihm über ihren Streit sprechen, doch das musste warten, bis er gesund und sie alle in Sicherheit waren. Seufzend verließ sie den Wachfelsen und rüttelte sanft ihren Gatten wach.
    » Wir müssen weiter«, waren seine ersten Worte. Es kam ihr vor, als spräche er im Traum. Er war heiß, schien sie gar nicht zu sehen, und sein Husten klang mittlerweile flach und dennoch quälend. Erst als er sich mit ihrer Hilfe aufgesetzt hatte, kam er ganz zu sich. » Ich war nie krank. Es tut mir leid«, flüsterte er.
    » Alle sind krank. Es muss dir nicht leidtun. Wir werden heute das Dorf erreichen, dann könnt ihr ausruhen.«
    » Falls wir es finden.«
    » Natürlich finden wir es. Kannst du allein aufstehen? Dann beginne ich mit dem Packen.«
    Er nickte zwar, blieb aber noch eine ganze Weile sitzen, während sie mit mehr oder weniger Mühe alle anderen auf die Beine brachte, die Ladungen für die Packpferde vorbereitete und schließlich mit Hüx und dem gesündesten der Knechte die Reitpferde sattelte.
    Obwohl die Sonne höher stieg und ihr auch durch die Arbeit hätte wärmer werden sollen, hatte sie den Eindruck, dass es kälter wurde. Die Erinnerung an die nassen Schneeflocken vom Vortag trieb sie noch stärker zur Eile. Heilfroh war sie, als endlich alle auf ihren Pferden saßen und sie an Wilkins Seite vorausritt. Schon bald bedeckte sich der Himmel wieder, Wind kam auf, und es begann zu schneien. Lange Zeit trieben ihnen nur einzelne Schneeflocken entgegen, doch als sie die erste Weggabelung erreichten, behinderte der Schnee schon so sehr ihre Sicht, dass Hedwig sich mit ihrem Vorschlag hervorwagte.
    » Lass mich die eine Richtung erkunden, während ihr langsam in der anderen weiterzieht, Wilkin. Wenn ich das Dorf in der Nähe finde, kann ich euch holen.«
    Wilkin saß gebeugt und wirkte, als könne er jeden Augenblick ohnmächtig aus dem Sattel stürzen. Doch sogar seine Heiserkeit konnte nicht verschleiern, wie entschieden er über ihren Plan dachte. » Auf keinen Fall.«
    » Aber…«
    » Du bleibst bei uns.«
    Hedwig schluckte ihre Widerworte herunter, um ihn nicht weiter aufzuregen. » Also gut. Welchen Weg nehmen wir?«
    Er deutete nach links, und ihr Zug setzte sich wieder in Bewegung.
    Etliche Zeit später war Hedwig sicher, dass sie den falschen Weg genommen hatten, denn er verengte sich allmählich abermals zu einem schmalen, steinigen Pfad und führte immer steiler bergauf. Gerade wollte sie Wilkin vorsichtig darauf hinweisen, da hielt er an und seufzte.
    » Richte Hüx aus, dass er kundschaften und dieses Dorf finden soll. Wir reiten ein Stück zurück bis zu der Wiese und rasten eine Weile.«
    » Wilkin, ich bin schneller als Hüx. Und er ist euch eine größere Hilfe mit den Pferden und dem Lager. Warum…«
    » Wirst du es ihm jetzt bitte sagen, oder muss ich es selbst tun?«
    Wortlos machte sie ihre Handpferde los, gab ihm das Seil, wendete Tiuvel und begab sich an Hüx’ Seite. » Wilkin will, dass wir umkehren und eine Weile rasten. Dies scheint nicht der richtige Weg zu sein. Ich reite zurück und versuche, das Dorf in der anderen Richtung zu finden.«
    Hüx’ Kopf war gegen die Kälte mit Schal und Gugel so umwickelt, dass nur seine Augen und seine Nase heraussahen. Das reichte jedoch aus, um seinen Zweifel erkennen zu können. » Soll ich Euch nicht lieber begleiten?«
    » Das wäre gewiss besser, aber ich glaube, dass du hier dringender gebraucht wirst. Sieh zu, dass du die Pferde zusammenhältst und den Kranken etwas Ruhe verschaffst. Ich bin bald

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