Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
setzten.
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Im Drachental
B ori ritt ohne Zaum eines der leichter bepackten Handpferde, das Hüx führte, während vor ihr nun Wilkin in Tiuvels Sattel saß. Tatsächlich verlor er mehrfach die Besinnung, bevor sie Boris Dorf erreichten, und nur ihre Anwesenheit verhinderte, dass er stürzte.
Im Dorf rührte sich bei ihrer Ankunft nichts. Zuerst führte Hedwig es auf das immer dichter werdende Schneetreiben zurück, dass niemand sich blicken ließ. Doch als sie die sieben Holzhäuser betrachtete, aus denen die Ansiedlung bestand, überkam sie eine ungute Ahnung. Nur aus einem einzigen Dach stieg Rauch.
Bori führte sie zum größten der anderen Häuser, dessen Türrahmen mit einer geschnitzten Rose verziert war, und wies darauf, als lüde sie sie ein, es in Besitz zu nehmen. Ihre Freundlichkeit hatte sich merklich abgekühlt, seit sie Hedwigs Gefährten zu Gesicht bekommen hatte, was Hedwig ihr nicht verdenken konnte. Mitgefühl hatte sie allerdings nicht. Im Gegenteil war sie bereit, zu Waffengewalt zu greifen, um sich die notwendige Unterstützung für sich und ihre Gefährten zu verschaffen.
Mit Hüx’ Hilfe brachte sie zuerst Wilkin in das leerstehende große Holzhaus, dann den kranken Thomas. Auch der zweite Knecht schaffte es nur noch taumelnd, sich einen Schlafplatz zu suchen und sich dort in eine Decke zu wickeln. Hedwig hatte draußen an der Hauswand einen kleinen Stapel Brennholz bemerkt und beauftragte den letzten arbeitsfähigen Knecht damit, es hereinzuholen. Irina übertrug sie es, ein Feuer auf der niedrigen, offenen Herdstelle zu entfachen, die sich mitten im ungeteilten, einzigen Raum des Hauses befand, und sich um Wilkin zu kümmern.
Alles andere erledigte sie Hand in Hand mit Hüx, dem die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben stand, der aber ebenso eisern entschlossen durchhielt wie sie. Die wertvollsten Pferde brachten sie im Stall beim Haus unter, die restlichen sieben im nächstgelegenen. Bei dieser Unternehmung bestätigte sich Hedwigs Ahnung: Bis auf das eine bewohnte Haus und den dazugehörigen Stall war das Dorf verlassen. Flüchtige Blicke in die Gebäude zeigten ihnen, dass es darin nur spärliche Überreste von Einrichtung, Brennholz und altem Heu gab. Hedwigs ungutes Gefühl verstärkte sich. Unter gewöhnlichen Umständen wäre es ihr erstes Anliegen gewesen herauszufinden, was die Dorfbewohner vertrieben hatte, doch dazu fehlten ihr Zeit, Kraft und nicht zuletzt die nötige Sprachkenntnis.
Nachdem sie den Pferden Heu hingeworfen und das Gepäck ins Haus geschafft hatten, befahl sie Hüx, sich auszuruhen. Sie wollte auf keinen Fall, dass auch er noch krank wurde. Er schlief ein, kaum dass er sich hingelegt hatte.
Selbst hatte sie sich noch nicht schlafen legen wollen, doch als sie die Wärme des Feuers spürte, das Irina erfolgreich angefacht hatte, kam die lange verdrängte Müdigkeit mit Macht über sie, und sie musste sich eine Weile an den Herd hocken.
Nun war es Irina, die ihre Stärke bewies. Sie hatte inzwischen den Kranken Bettstätten hergerichtet, die im Vergleich zu denen der vergangenen Tage geradezu behaglich waren, auch wenn es sich nur um Decken und Schafsfelle auf nacktem Boden handelte. Irina reichte Hedwig einen Becher Wasser und ein Stück Schinken. » Geh zu Bett. Ich kann noch einige Stunden wach bleiben und wecke dich dann. Für heute hast du genug getan.«
Hedwig lächelte ihr dankbar zu. » Was ist mit Wilkin?«
Irina zuckte mit den Schultern. » Du kannst nichts anderes für ihn tun als ich. Ich werde ihm feuchte Wickel machen, um das Fieber zu senken.«
Schläfrig gab Hedwig ihr recht und begnügte sich damit, ihren sich unruhig wälzenden Gatten auf seine heißen, trockenen Lippen zu küssen, bevor sie sich in seiner Nähe niederlegte und im Geheul und Geklapper des ums Haus tobenden zunehmenden Schneesturms einschlief.
Wilkin überstand die Nacht, doch zu ihrer aller Entsetzen starb während Hedwigs Wache in den frühen Morgenstunden Thomas. Er hörte so überraschend auf zu atmen, als hätte ein Hauch des Sturms, der zwischen den Bohlen der Wände den Weg hereingefunden hatte, ihm sein Lebenslicht ausgeblasen. Hedwigs Sorge um Wilkin und die beiden anderen kranken Knechte stieg daraufhin ins Unermessliche. Die ganze Reise schien ihr auf einmal verflucht zu sein. Insgeheim fragte sie sich, ob Hans von Torgau sich besonders auf die Macht böser Flüche verstand und seinem Ältesten das Schlimmste gewünscht hatte.
Als sie Wilkins fiebriges
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