Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
Vom Netzwerk:
Nicht nur wegen ihrer verschiedenen Sprachen, sondern weil Mara sich scheu in sich und ihr Tun als Mutter und Amme zurückgezogen hatte. Sie war jünger als Hedwig und gewiss ein hübsches Mädchen gewesen, bevor Not und Kummer sie gebeugt, in Lumpen gehüllt und dreier Zähne beraubt hatten. Hedwig schwor sich, dass sie alles tun würde, um ihr ein besseres Leben zu ermöglichen, falls sie Ofen je erreichten und sie Wilkin bewegen konnte, sie alle aufzunehmen.
    Juliana, von Hedwig bald Juli genannt, wirkte anfänglich zart, nahm zu Hedwigs Erleichterung jedoch rasch an Gewicht zu. Sie hatte das kleine Bündel ins Herz geschlossen und wäre jederzeit bereit gewesen, es mit ihrem Leben zu beschützen. Dennoch wünschte Hedwig nach drei Wochen, dass die Reise vorbei sein möge. Sie sehnte sich nach dem Tag, an dem sie den meistens nassen Säugling nicht mehr ständig herumtragen musste. Zudem war es zu einer anstrengenden Aufgabe geworden, für ausreichende Verpflegung zu sorgen. Mara durfte weder hungern noch dürsten, damit ihre Milch nicht versiegte.
    So kam es, dass sie oft ganze Tage rasteten, damit Hedwig in Ruhe jagen oder den Weg in ein Dorf wagen konnte, wo sie sparsam ihre letzten Münzen für Lebensmittel eintauschte. Sie ging stets bewaffnet, ließ Tiuvel jedoch bei Mara zurück, um weniger Aufsehen zu erregen. Mara nutzte die Zeit, um die Windeln der Kinder zu waschen und zu trocknen.
    Hedwig schätzte, dass sie noch eine Woche von der Ankunft in Ofen trennte, als ihr Geld schließlich vollends verbraucht war. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als das nächste Gasthaus aufzusuchen, wo sie ihren Mantel gegen etwas mehr eintauschen konnte, als ihr ein einfacher Bauer dafür zu geben in der Lage war. Wenn sie unter Menschen ging, verhielt sie sich äußerst vorsichtig. Sie achtete darauf, dass ihr Haar bedeckt war, hielt den Blick gesenkt und versuchte unscheinbar zu wirken. Es war schlimm genug, dass sie durch ihre mangelnden Sprachkenntnisse auffiel, wenn sie auch die wichtigsten Sätze mittlerweile auf Ungarisch beherrschte. Jó napot. Guten Tag.– Nekem kell kenyér és tej. Ich brauche Brot und Milch.– Mennyibe kerül? Wie viel?– Merre van dél? Wo ist Süden?– Melyik a következ ő város? Welches ist die nächste Stadt?– Nekem kell víz. Ich brauche Wasser.
    So hielt sie auch dieses Mal dem Wirt der » Silbernen Au« ihren ausgebürsteten Mantel unter die Nase. » Mennyibe kerül?«
    An seiner Aussprache erkannte sie, dass auch für ihn das Ungarische keine Muttersprache war. » Deutsch?«, fragte sie zaghaft.
    Misstrauisch musterte er sie. » Ja, deutsch. Was bist du für eine? Zu wem gehörst du? Zu dem Ritter, der gestern hier war? Er hat nach einer Frau wie dir gefragt.«
    Fahrig zog Hedwig sich ihr Kopftuch fester übers Haar. » Wie mir? Was soll das heißen?«
    » Schäbig gekleidet, einen Bogen tragend. Grüne Augen.«
    » Hat er seinen Namen genannt? Wohin ist er geritten?«
    Der Wirt schnaubte verächtlich. » Hat mich nicht damit beehrt, mir seinen Namen zu nennen. Aber er käm’ heute wieder, hat er gesagt. Wir beide haben noch ein Geschäft ganz eigener Art abzuschließen.«
    Seine Stimme hatte einen drohenden Unterton, der Hedwig vermuten ließ, dass es sich nicht um ein einvernehmliches Geschäft handelte. Verwirrt fragte sich Hedwig, ob der unbekannte Ritter Wilkin sein konnte. Was hätte er mit dem grollenden Wirt zu schaffen? Sie nickte und bemühte sich, unbeteiligt zu wirken. » Mich sucht er gewiss nicht. Ich reise mit Verwandten nach Ofen. Wir haben nichts mehr zu essen und kein Geld, deshalb wollte ich fragen, ob Ihr mir meinen Mantel abkaufen wollt. Es ist ein gutes Stück. Vielleicht wird Euer Weib sich darüber freuen, oder Ihr verkauft ihn weiter.«
    An der Art, wie er den Mantel mit glitzernden Augen betrachtete, konnte sie erkennen, dass er ein gutes Geschäft witterte, obwohl er sonst gleichgültig tat. Er bot ihr einen Preis, sie schüttelte den Kopf, er bot etwas mehr, sie nickte.
    Zufrieden schniefte er und bat sie zu warten, bis er das Geld sowie etwas Brot und Schinken geholt hätte. Sie hörte, wie er in der Küche, die hinten an den Schankraum anschloss, mit einer mürrischen Frau sprach.
    Der Schankraum war leer bis auf zwei ältere Männer, die sich in einer Ecke mit ernsten Gesichtern auf Ungarisch unterhielten und die als Kaufleute zu erkennen waren. Das Wirtshaus hatte ein zweites Geschoss, in dem Schlafräume liegen mussten, es mochte also noch

Weitere Kostenlose Bücher