Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
aufgerieben. Zu bleiben hatte keinen Sinn.
Er trieb seine Männer zur Eile an, als sich ihnen drei der fackeltragenden Hussitentrupps näherten, die offenbar misstrauisch geworden waren.
Sie entkamen und behielten sowohl ihre Eile als auch ihre Schweigsamkeit bei, bis sie zwei Tage später Dresden erreichten, wo Markgräfin Katharina, die das über dreißigtausend Mann starke Heer mit bewundernswerter Tatkraft zusammengerufen hatte, bereits die ersten Nachrichten von der entsetzlichen Niederlage erhalten hatte.
Tausende waren in der Schlacht umgekommen, unter ihnen die meisten Heerführer und Adligen. Kaum ein großer Name Meißens, Sachsens und Brandenburgs, der nicht auf der langen Liste der Toten vertreten war. Auch Cords ehemaliger Anführer Burggraf Heinrich von Meißen, der letzte Stammhalter seines Geschlechts, zählte zu ihnen. Das Massaker an den in Aussig verbliebenen Deutschen ließen die Hussiten bereits einen Tag später folgen.
Cord fragte sich, ob der Allmächtige etwas Besonderes mit ihm vorhatte, weil er ausgerechnet ihm einen Weg gewiesen hatte, auf dem es möglich gewesen war, dem Gemetzel zu entgehen, ohne seine Ehre zu verlieren.
Seine Männer hingegen hatten keine Zweifel daran, dass es seine Entscheidungen und seine Entschlossenheit gewesen waren, die ihr Leben gerettet hatten. Sie alle lobten ihn vor der niedergeschmetterten und trauernden Markgräfin Katharina und ihren verbliebenen Begleitern so hoch, dass er trotz des bösen Ausgangs der Sache eine Belohnung von ihr erhielt.
Sogar Dieters Blick auf ihn war weniger kühl als zuvor, und alle stimmten Cord zu, als er sie aufforderte, sich der Markgräfin zur Verfügung zu stellen, um das weitere Vordringen der mörderischen Ketzer in Meißner Lande zu verhindern.
Es vergingen zwei Jahre. König Sigismund blieb trotz aller Schwierigkeiten in den eigenen Landen bestrebt, nach Italien aufzubrechen, um sich vom Papst zum Kaiser krönen zu lassen. Kurfürst Friedrich von Brandenburg befasste sich überwiegend mit Problemen in seiner Heimatregion im Süden Deutschlands, die ihn dazu brachten, seine Burggrafenburg in Nürnberg an die Stadt zu verkaufen. Und Cord und seine wachsende Gefolgschaft erlebten den vierten, abermals katastrophal scheiternden Kreuzzug gegen die Hussiten mit. Wacker stemmten sie sich danach weiter gegen die immer übermütigeren Angriffe der Ketzer auf katholische Städte und Burgen.
Andreas Prokop, der inzwischen höchste hussitische Anführer, der hinter den ausufernden Unternehmungen seines Heeres steckte, wurde zu einer Besessenheit für Cord. Er hätte viel darum gegeben, diesen Mann in die Hände zu bekommen, den er für schuld an der zunehmenden Gnadenlosigkeit der Heereszüge hielt. Mit Freude hätte er ihn um seinen kahlen Kopf erleichtert, doch Prokop wusste sich zu schützen, und die Überlegenheit der kriegerischen Ketzer blieb stets so groß, dass Cord in den Schlachten und Scharmützeln anderes zu tun hatte, als nach ihm zu suchen.
Er hatte weiterhin viel Glück bei seinen Kämpfen, wenn er auch immer wieder sein ganzes Geschick brauchte, um zu überleben. An seiner Seite wuchs Dieter von Quitzow zu einem ehrfurchteinflößenden Krieger heran. Mit achtzehn Jahren stach er viele ältere und erfahrenere Männer aus, was Kraft, Können, Gewandtheit und Furchtlosigkeit betraf. Seine Grausamkeit und Brutalität kannten keine Grenzen. Er war gewiss keine unterhaltsame oder sonst wie angenehme Gesellschaft, doch wenn das Fechten und Blutvergießen begann, konnte Cord sich keinen geeigneteren Begleiter vorstellen.
Dieter war sich dessen bewusst und stolz auf die Anerkennung, die er durch Cord erfuhr, was ihr Verhältnis zueinander erträglich machte.
Im Sommer 1428 kam schließlich die Stunde, in der ihre seltsame Beziehung ein besonderes Siegel erhielt.
Es hatte sie in die sumpfigen Niederungen der Lausitz verschlagen, wo sie einen, hier nur schwerfällig vorankommenden, kleinen hussitischen Wagenzug angriffen. Dieters Pferd stolperte auf dem schwierigen Untergrund und stürzte, woraufhin gleich mehrere mit Keulenflegeln bewaffnete Gegner zu ihm stürmten. Cord hielt sie ihm vom Leibe, bis der junge Recke wieder auf den Beinen war, und rettete ihm damit das Leben.
Kurz darauf traf ein langbärtiger, alter, aber unfassbar starker Mann Cord von einem Ackergaul aus mit einer Axt zuerst am Schulterstück seiner Rüstung, dann in die Seite. Die Schneide der Waffe durchtrennte den seitlichen Riemen seines
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