Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
Kriegsknecht besiegen konnte, solange sie nur den wilden Willen dazu besaß.
Die Hussiten marschierten ohne Zögern, und sie bewegten sich mit ihren Wagenzügen und leicht oder gar nicht gerüsteten Reitern unfassbar schnell. Noch schneller gelang es ihnen, aus einem Zug eine Wagenburg aufzustellen, an der die zauderhafteren Ritter der deutschen Lande sich regelmäßig die Zähne ausbissen. So sie denn überhaupt versuchten zuzubeißen und sich nicht von dannen machten, sobald sie das » Ihr, die Ihr Krieger Gottes seid…« von Prokops Heer aus der Ferne erklingen hörten.
Cord scheute den Kampf nicht, doch er war auch keiner, der sich allein dem Gegner entgegenstellte, wenn sein Anführer und alle um ihn herum begannen, in die andere Richtung zu rennen, als hätten sie Mühe, es noch bis zum Abtritt zu schaffen. Dermaßen sinnlos wollte er sein Leben nicht verlieren. Also floh er mit ihnen, auch wenn das hieß, erneut die Wutausbrüche der beschämten und enttäuschten Heeresführer aushalten zu müssen.
Bei all diesen– meist wenig glorreichen– Kriegsabenteuern war Dieter von Quitzow bei ihm geblieben.
Das lag nicht daran, dass der Junge eine plötzliche Zuneigung zu ihm gefasst hatte. Vielmehr war es einem nachdrücklichen Versprechen zu verdanken, das Cord ihm zu Anfang ihrer Reise unweit von Krakau gegeben hatte. Eine einzige schändliche Tat, ein einziger Ungehorsam, hatte Cord ihn gewarnt, und er würde ihn in jedem Versteck finden und entmannen.
Er war nach seinem Abschied von Hedwig und durch das üble Wetter, was eben über sie hereingebrochen war, in der richtigen Stimmung für eine solche Drohung gewesen.
Dieter hatte ihn mit verkniffenen Lippen und hervortretenden Kiefermuskeln angehört. Cord hatte vorgehabt, am Ende seiner Ansprache zumindest ein Nicken einzufordern, doch auch dieser von Quitzow verstand es, ihn zu überraschen. Der Sechzehnjährige sah ihn mit eiskaltem Blick in die Augen. » Ich bin es gewöhnt, dass man mich hasst. Aber den verfluchten Köter habe ich trotzdem nicht getötet.«
Zu dieser Vermutung war Cord längst selbst gelangt, doch milderte das seine Abneigung gegen Dieter nicht. » Stell dir vor, das glaube ich dir sogar. Doch es ändert nicht das Geringste.« Er zog seinen treuen, bereits etwas schartigen Dolch und zeigte ihn Dieter. » Es ist ganz einfach zu merken: Du machst mich böse– ich kastriere dich. Glaub mir, daran bist du nicht gewöhnt.«
Er wusste, dass er überzeugend geklungen hatte, denn es war ihm mit seiner Drohung durch und durch ernst gewesen. Dieter hatte es begriffen und sich zu Herzen genommen. Er benahm sich in der Folge weiterhin kalt und abweisend, aber untadelhaft, was in erster Linie bedeutete, dass er genau das tat, was Cord ihm befahl. Nach einer Weile hatte er damit zwar nicht Cords Vertrauen, aber doch seinen Respekt erworben. Wilkin hatte den Jungen trotz aller Unstimmigkeiten vernünftig ausgebildet, und das zeigte sich nun. Gleich in seinem ersten Gefecht schlug Dieter sich an Cords Seite erfolgreich, und Cord war sich nicht zu schade, ihm dafür in schlichten Worten seine Anerkennung auszusprechen. Zum ersten Mal, seit er den Jungen kannte, sah er bei diesem Anlass so etwas wie Lebensfreude in seiner sonst meist regungslosen Miene aufleuchten.
Ebendieses kleine Gefecht im Grenzgebiet zwischen Meißen und Böhmen, unweit von Aussig, brachte Cord gleichfalls große Anerkennung ein, wenn auch eher zufällig. Sie waren unter Burggraf Heinrich von Hartenstein und Meißen, dem Bruder von Gräfin Constantia, geritten. Kurz nach dem Zusammenstoß mit den Hussiten erhielt dieser eine Nachricht, die ihn dringend nach Meißen rief. Kurzerhand beförderte er Cord zum Oberhaupt seiner Truppe und verabschiedete sich mit den Worten: » Die Ketzer führen etwas im Schilde, ich fühle es in den Knochen. Sei wachsam, mein Alter.«
Der Burggraf hätte ihn nicht darauf hinweisen müssen, dass etwas in der Luft lag. Es war zu deutlich gewesen, wie rasch der kleine Hussitentrupp, den sie bekämpft hatten, sich zurückzog, ohne wirklich geschlagen zu sein. Es hatte so sehr nach einer Falle ausgesehen, dass der Burggraf auf jede Verfolgung verzichtet hatte. Nicht zuletzt die spöttischen Mienen der hussitischen Reiter hatten zu seinem Verdacht beigetragen.
Als am nächsten Tag in wilder Jagd ein Bote bei ihnen hielt, um ihnen zuzurufen, dass gewaltige Scharen von Ketzern auf Aussig zumarschieren würden und die Stadt Hilfe bräuchte, hatte Cord
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