Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
Kahnführer nebenbei nicht nur geschickte Fischer, sondern auch willens, beide Augen zu schließen, wenn Hedwig Enten für das Abendessen erlegte und sie von ihrem Hund aus dem Wasser holen ließ.
Ohnehin verstanden die sorbischen Männer kaum Deutsch und nickten nur zu allem, was sie gefragt wurden.
Eine Weile nachdem sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, waren es zuerst Flachsfelder, deren zartblaue Blüte gerade anbrach, dann immer mehr bewirtschaftete, trockenere Wiesen und Felder, die ihnen die Nähe größerer Siedlungen anzeigten. Am siebten Morgen nach dem Aufbruch aus Saarmund näherten sie sich der Stadt Meißen.
Hedwig und die Spielleute hofften, dass die anstrengende Reise hier vorerst ein Ende nehmen würde. Cord hingegen belustigte es, dass sie das Reisen beschwerlich fanden. Er schien daran gewöhnt zu sein, jeden Morgen flüchtig den Rost von seiner Rüstung zu wischen und den Tag im Sattel zu verleben.
Hedwig erwartete, dass er in Meißen geradewegs zur Albrechtsburg reiten würde, um den Burgherrn, Graf Heinrich von Hartenstein, nach dem genauen Sammelplatz für die brandenburgischen und sächsischen Truppen zu fragen. Da sie selbst bei dergleichen Unternehmungen bisher glücklos geblieben war, hätte sie ihm die Aufgabe gern allein überlassen und mit den Spielleuten in einem Wirtshaus gewartet. Ihr schwirrte der Kopf von den Eindrücken, die bei ihrem Ritt durch die Stadt auf sie einströmten. Meißen war noch weit größer als Saarmund. Die auf einer Erhebung am Elbufer errichtete Burg und der Dom überragten alles, und einen so mächtigen Strom wie die Elbe hatte Hedwig nie zuvor zu Gesicht bekommen.
Cord indessen hatte andere Absichten, als sie einfach warten zu lassen. Er brachte sie zu einem Haus, über dessen Tür als Ersatz für ein Schild ein Holzzuber hing. Knechte nahmen ihnen die Pferde ab, und ehe Hedwig sich’s versah, stand sie zum ersten Mal verblüfft im Dampf eines Badehauses. Cord flüsterte mit Irina und einer fülligen Frau, deren ausladende weiße Haube aus mehr Stoff gefertigt zu sein schien als das geschürzte dünne Hemd, das sie trug. Sie war eben dabei gewesen, einen auf der Seite liegenden Bottich zu schrubben, und hielt die Bürste noch in der Hand. Kurz darauf verabschiedete sich Cord mit einem flüchtigen Winken und zog den widerstrebenden Adam mit sich.
Wäre Irina nicht gewesen, hätte Hedwig vor der ihr fremd gewordenen Prozedur des Badens womöglich die Flucht ergriffen. Das Spielweib und die Badefrau überredeten sie jedoch mit vereinten Kräften, und als sie schließlich in ein Badetuch gewickelt dastand und das wohlige Gefühl genoss, vom Haar bis zu den Fußsohlen sauber zu sein, war sie ihnen dankbar dafür.
Eine Magd brachte ihr ein weißes Unterkleid aus Leinen mit einem grünen Überkleid. Beide Gewänder waren einfach, aber sauber. Dass Cord sie auf Kosten seines Onkels für sie besorgt hatte, erfuhr Hedwig nur durch Irinas zufriedene Bemerkung.
Die Pracht der Albrechtsburg rief in Hedwig Ehrfurcht hervor. Als Cord sie die breite Wendeltreppe hinauf in einen großen weiß-goldenen Festsaal und von dort in eine kaum kleinere Versammlungshalle führte, wurde ihr zum ersten Mal schamvoll bewusst, wie unbedeutend und arm sie war. Verglichen mit dem Reichtum, der hier zur Schau gestellt wurde, waren die Burgen, die sie bisher gesehen hatte, bescheidene Behausungen.
Kostbar gekleidete Männer standen in Gruppen beisammen, hielten Silberkelche in den Händen und unterhielten sich. Musik erklang, ohne dass Musikanten sichtbar waren, zwei Gaukler warfen sich verspielt Bälle zu, als würde es nur ihrem eigenen Vergnügen dienen, und zwei Mägde füllten eben nach Honig duftende kleine Gebäckstücke in silberne Schalen, die zwischen anderem funkelnden Tischgerät auf einer langen Tafel nahe dem unbesetzten Hochsitz standen.
Zu Hedwigs Verwunderung blieb Cord mit ihr nicht in der Halle, sondern durchquerte sie und ließ ihr den Vortritt in ein Nebengemach. Beim Anblick der Gesellschaft, die hier versammelt war, blieb sie so plötzlich stehen, dass Cord sie versehentlich anrempelte.
» Ich bitte vielmals um Vergebung«, sagte er, doch auch seine ungewohnte Höflichkeit konnte sie nicht mehr in noch größeres Erstaunen versetzen.
Zwanzig vornehme Frauen und nur zwei Männer umgaben eine Edelfrau, die sowohl in ihrer Pracht und Schönheit als auch durch ihre selbstbewusste Haltung den Mittelpunkt des Raumes bildete. Alle waren ernsthaft und
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