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Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Die Bogenschützin: Roman (German Edition)

Titel: Die Bogenschützin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Sophie Marcus
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ihm ein wollüstiges kleines Gerangel den Tag gerade richtig abgerundet.
    Es regnete ein wenig, er sah es mehr an den Ringen, die sich auf den Pfützen bildeten, als dass er es spürte. Da der Himmel jedoch aussah, als könnte jederzeit wieder ein schwerer Schauer niedergehen, beeilte er sich. Glücklicherweise musste er bis zu seinem Zelt nicht weit laufen, denn er gehörte zum bevorzugten Kreis des Kurfürsten und damit zurzeit auch zu dem des Meißner Markgrafen. Er war zwar jung und hatte seinen Ritterschlag erst zwei Jahre zuvor erhalten, dennoch hatte er sogar seinen eigenen Vater in der Gunst ihres Gönners ausgestochen, was diesen mächtig wurmte. Dabei hatte sein Vater selbst ihn als Knaben zum Kurfürsten gegeben und sollte sich nicht darüber wundern, dass er diesem nun in mancher Hinsicht ähnelte und dafür von ihm geschätzt wurde.
    Bevor Wilkin das Zelt betrat, warf er einen Blick auf die Pferde, die sich ganz in der Nähe auf einer kleinen Koppel tummeln durften. Sie hatten kein Gras mehr, es musste ihnen schon zugefüttert werden. Wenn das Heer sich nicht bald in Bewegung setzte, würde man alle Tiere noch einmal auf neue Weiden umtreiben müssen, um Heu und Hafer nicht frühzeitig zu verbrauchen. Sechs der Pferde gehörten Wilkin: zwei Schlachtrösser, ein Reitpferd für sich und eins für seinen Pagen sowie zwei Packpferde. Er achtete mit Hingabe darauf, dass es ihnen an nichts mangelte, denn sie stellten den größten Teil seines Vermögens dar.
    Deshalb beunruhigte es ihn, dass neben der Umzäunung ein aufgezäumtes Pferd stand, welches sich offenbar irgendwo losgerissen hatte. Der merkwürdige große, dürre schwarze Hengst reckte den Hals über den Zaun, flehmte mit weiten Nüstern und hochgezogener Oberlippe zu den Packstuten hinüber und scharrte mit dem Huf. Wäre das Tier in guter Form gewesen, hätte man es, bis auf den Ramskopf, ein Prachtross nennen können, doch es sah jämmerlich und ungepflegt aus.
    Gerade wollte er hinübergehen, um den Hengst einzufangen, da kam ein brauner Jagdhund angeschossen, stellte den Hengst und verbellte ihn, als wäre er ein Beutetier.
    Bevor der Hengst seinerseits auf den Hund losgehen konnte, traf im Laufschritt ein Waffenknecht in einer schäbigen schwarzen Reiserüstung ein und griff sich das hässliche Ross. Beruhigt wandte Wilkin sich seiner Unterkunft zu.
    Einen Knappen konnte er sich noch nicht leisten, doch immerhin hatte Kurfürst Friedrich ihm einen Pagen als Diener zugeteilt, der schon einiges zu leisten imstande war. Der zwölfjährige Dieter war einst eine Art Geisel des Kurfürsten gewesen, hatte mittlerweile jedoch seine Eltern verloren und war zum Mündel geworden. Wilkin hatte den Auftrag bekommen, ihn auszubilden und dabei möglichst vom Rest seiner Sippe fernzuhalten. Natürlich hatte Kurfürst Friedrich bewusst einen von Torgau für diese Aufgabe gewählt, denn wer würde gewissenhafter einen kleinen von Quitzow in Schach halten? Wilkins Vater war einer von Dietrich von Quitzows erbittertsten Feinden gewesen. Wäre Wilkin seinem Vater ähnlich gewesen, hätte er den Kleinen diese alte Feindschaft spüren lassen. Doch ein so nachtragendes, kleinliches Verhalten widersprach seiner Gesinnung. Da der Kurfürst selbst den von Quitzows vergeben hatte, tat er sein Bestes, sich dessen Urteil anzuschließen. Als die von Torgaus sich damals gemeinsam mit dem Kurfürsten gegen die von Quitzows gewandt hatten, war Dieter erst ein unwissender Vierjähriger gewesen. Die Jahre, die er anschließend als Geisel herumgestoßen worden war, mussten schlimm genug für ihn gewesen sein. Nicht, dass Wilkin ihn deshalb ins Herz geschlossen hätte. Bei allem Mitgefühl und allem Sinn für Gerechtigkeit hegte er wenig Zuneigung zu dem unzugänglichen Jungen. Doch immerhin tat Dieter die ihm auferlegte Arbeit in der Regel zuverlässig, was Wilkin ersparte, seine Rüstung selbst vor Rost schützen oder seine Wasser- und Weinschläuche selbst füllen zu müssen.
    Er bückte sich, um durch den Zelteingang zu treten. Als er sich wieder aufrichtete, sah er Dieter steif und verkrampft gegenüber an der Zeltwand stehen. Auf seiner Pritsche saß eine mit einem Kapuzenmantel verhüllte Gestalt. Ohne zu zögern, zog Wilkin sein Schwert.
    Die Gestalt sprang auf, streifte die Kapuze ab und hielt ihm abwehrend eine schmale, unbewaffnete Hand entgegen.
    Sprachlos ließ Wilkin das Schwert sinken. Ein Weib. Er hatte im Tross der Heere, mit denen er gezogen war, bereits viele

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