Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
angeregt in Gespräche vertieft, viele hielten oder studierten Schriftstücke, und eine der Frauen stand sogar an einem Pult und ließ mit gerunzelter Stirn einen Gänsekiel über Pergament kratzen.
» Sei nicht so verblüfft, Drachenmaid«, sagte Cord leise zu Hedwig. » Gräfin Constantia bestimmt die Geschicke Meißens, wenn ihr Vater und ihr Gemahl nicht anwesend sind. Sie wollte dich sehen.«
Die Stimme der Gräfin erhob sich über die ihres Gefolges. » Ich bestimme die Geschicke Meißens jederzeit maßgeblich, mein Herr. Gewöhnlich liegen mein Vater und mein Gatte verletzt, blutend und fiebernd zu Bett, wenn sie uns mit ihrer Anwesenheit beehren. Kein Zustand, um mit Bäckern und Kaufleuten über die Höhe von Abgaben und Zöllen zu verhandeln oder jüdische Gläubiger zu beschwichtigen. Und nun kommt näher und stellt mir Euren Schützling endlich vor.«
Hedwig musste nicht nachdenken, um vor der einschüchternden Frau in einen tiefen Hofknicks zu sinken.
Cord verneigte sich gleichfalls. » Hedwig von Quitzow, gnädige Frau Gräfin. Jüngst aus langer Verborgenheit wieder erschienen und nun auf der Suche nach ihrem Onkel Johann von Quitzow und ihrem Bruder Köne.«
Gräfin Constantia lachte hell. » Wunderbar. Cord hat mir schon von dir berichtet. Komm näher, Kind, wir haben einen gemeinsamen Feind. Ich habe einmal den grässlichen Erzbuschklepper von Schwarzburg nicht geheiratet, als ich es sollte. Seitdem hegt er einen Groll auf uns Meißner und macht uns das Leben schwer, wo er kann. Nicht, dass wir ihm viel Gelegenheit dazu ließen. Was könnte ihn mehr ärgern, als wenn ich dem Geschlecht der von Quitzow beistehe. Vortrefflich! Sag mir, was du benötigst.«
Hedwig sah die mächtige Frau voll Bewunderung an. » Ich brauche nicht viel, nur…«
» Kleider«, fiel Cord ihr ins Wort. » Sie ist bescheiden, hohe Frau, aber es ist die traurige Wahrheit: Sie besitzt nichts als das, was sie am Leibe trägt. Nun, zugegeben, und ein Ross, einen Habicht, einen Bogen und einen Spielmann, aber nichts davon will sie verkaufen, um sich ein anständiges Gewand zu leisten.«
Neugierig beugte Gräfin Constantia sich vor. » Einen Habicht, einen Bogen und einen Spielmann? Erzählt!«
Es wurde Abend, bevor man Hedwig gehen ließ, und sie ging reich beschenkt.
4
Richards Schwert
W ilkin, der erstgeborene Sohn des edlen Grafen Hans von Torgau, hatte ein Wettschwimmen in der Elbe gewonnen, dafür einen kleinen Beutel mit fünfzehn Gulden vom Markgrafen von Meißen bekommen und mehr als einen Schoppen Bier von denen, die auf ihn gesetzt hatten. Er war nicht leicht umzuwerfen, doch als er spürte, dass der Trunk anfing, eine Wirkung auf ihn zu haben, verabschiedete er sich aus dem Zelt des Kurfürsten. Er hatte zu viele Feinde, um sich einen Vollrausch erlauben zu dürfen. Allen voran seine Brüder, die sich nach dem Wettkampf durch Abwesenheit verdächtig gemacht hatten. Doch wahrscheinlich hatte nur die Enttäuschung über seinen Sieg sie von dem kleinen Gelage ferngehalten.
Er konnte sich vorstellen, wie sie am Ufer gestanden hatten, während er schwamm. Reinhardt, der ältere, heimtückischere und wachsamere von beiden, wie meistens etwas hinter Ludwig. Ludwig in vorderster Reihe der Zuschauer, mit geballten Fäusten dafür betend, dass Wilkin untergehen möge. Hätte er im Wasser um Hilfe gerufen, sie wären die Ersten im Boot gewesen, jedoch nur, um aus der Nähe zuzusehen, wie er ertrank.
Allerdings schwamm er außerordentlich gut, denn wer am Hof des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich vom Pagen zum Knappen wurde, der übte es notgedrungen. Jeder, der bei ihm in Diensten stand, wusste, dass der Fürst keinen jungen Mann zum Ritter schlug, der nicht bereit war, seine Rüstung abzulegen und einen Fluss oder eine Meeresbucht zu durchschwimmen, wenn es nötig war. Für seinen Geschmack waren schon viel zu viele Ritter bei der Überquerung von Gewässern ertrunken.
Wilkin hatte das Schwimmen nie etwas ausgemacht, er liebte das Gefühl, dem Wasser trotzen zu können. Sechs Mal hatte er an diesem Tag die Elbe durchquert, immer schräg gegen die Strömung, um nicht zu weit abgetrieben zu werden. Damit war er noch nicht an die Grenze seiner Kraft geraten, hatte aber die Zuschauer, von denen viele gar nicht schwimmen konnten, gehörig beeindruckt.
Müde fühlte er sich nun allerdings, wenn er auch gegen ein Weib im Bett nichts einzuwenden gehabt hätte. Er gönnte sich die Sünde nicht oft, doch heute hätte
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