Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
beachten, nahm er Hedwig das Stück von ihrem Unterkleid ab, zerriss es in Streifen und verband die Wunde des Hundes, als wäre es tatsächlich das Wichtigste, was es zu tun gab.
Erst als er das Tier versorgt hatte, wandte er sich Hedwig zu. » Wer war das?«
Völlig ruhig sah er sie mit seinen dunklen Augen an, als wäre nur etwas Gewöhnliches geschehen, etwas, das ihm jeden Tag begegnete. Seine Gefasstheit beruhigte Hedwig so weit, dass sie den ersten klaren Gedanken dachte, seit sie zu Bewusstsein gekommen war. » Gerhardt von Schwarzburg und ein Ritter, der die Farben der von Torgaus trug. Noch sechs weitere, aber die kannte ich nicht. Sie haben sich alle unter braunen Mänteln und Helmen verborgen. Cord, es tut mir so leid. Das ist meine Schuld. Wäre ich Adam und Irina doch nie begegnet. Sie wären gewiss davongekommen.«
Er zuckte mit den Schultern. » Von Schwarzburg ist ein Schwein. Er wollte den Spielmann von Anfang an hängen sehen. Du hast ihn bloß noch ein wenig wütender gemacht. Ich nehme an, er hat dich und Irina nur am Leben gelassen, weil er gesehen hat, dass jemand kam. Wir haben sie von hier querfeldein nach Osten reiten sehen. Allerdings wussten wir da noch nicht, was wir hier finden würden. Adams Pferd haben sie mitgenommen. Dein Schwarzer steht bei Irinas Stute. Hoffentlich hat er wenigstens einen von den Kerlen geschlagen und gebissen.«
Hedwig schloss die Augen und hielt sich den Kopf. » Und warum bist du hier? Wer ist bei dir?«
Er schnaubte belustigt. » Ich habe gehört, dass sie dich nach Meißen schicken wollten. Und da Gräfin Constantia zu den wenigen edlen Frauen gehört, die meine Gesellschaft schätzen, dachte ich, ich könne unser vergnügliches Beisammensein noch ein wenig verlängern. Es sind ein paar Brandenburger bei mir, die nach Hause wollen. Aber nun gibt es für mich wohl etwas Wichtigeres zu tun.«
» Was meinst du? Kannst du nicht bei uns bleiben?«
» Ich bringe euch nach Meißen. Anschließend mache ich mich auf den Weg nach Nürnberg, um Köne zu erzählen, was geschehen ist.«
Hedwig erschrak bei der Vorstellung, was daraus folgen konnte, wenn ihrem Bruder einfiel, Rache zu nehmen. » Er darf von Schwarzburg nicht herausfordern. Ich kann nichts beweisen.«
Cord lächelte bitter. » Unterschätz deinen Bruder nicht. Er lebt schon lange genug unter den Wölfen und hat dafür gesorgt, dass er nicht mehr der Geringste unter ihnen ist. Er will zurück, was euer Vater und euer Onkel an Macht und Ansehen verloren haben, und er wird sich hüten, seine Stellung durch Hitzköpfigkeit aufs Spiel zu setzen. Etwas, was du noch lernen musst, meine Kleine.«
Wie sie nach Meißen gekommen war, wusste Hedwig nicht, als sie wieder erwachte. Sie lag in einem weichen Bett unter sauberen Decken, ihr Körper und ihr Kopf schmerzten, und auf einem Schafsvlies am Boden schlief ihr mit einem dicken Verband eingehüllter Hund. Erst als sie Irina bemerkte, fiel ihr ein, was geschehen war. Die Spielmannsfrau saß auf der Kante eines weiteren Bettes, hatte die Arme um sich geschlungen und schwankte vor und zurück. Ihr Blick ging in die Ferne, und sie summte leise eine von Adams Melodien.
» Es tut mir leid«, flüsterte Hedwig.
Irina kam sofort zu sich und stand auf. » Du weißt, wer ich bin? Der Bader hält für möglich, dass du nach den Schlägen nicht mehr richtig im Kopf bist. Nun, er weiß ja nicht, wie du vorher warst. Also, was ist? Kannst du mir deinen Namen sagen?«
Hedwig schossen die Tränen in die Augen. » Es tut mir so leid, Irina.«
» Was tut dir leid? Dass mein Mann seine Finger nicht von der Rosstäuscherei lassen konnte? Oder dass du von gleichem Blut bist wie diese widerlichen Kreaturen, die ihm noch zeigen mussten, wie sie ihren Willen an mir haben, bevor er starb? Oder dass dein Hund verletzt wurde? Ich sehe es so, edle Jungfer: Du lebtest, ohne die wahre Welt zu kennen, und tatest, als könntest du dich über ihre Gesetze erheben. Ich dagegen kannte die wahre Welt und habe mich ihren Gesetzen gebeugt, so gut ich es vermochte. Eingebracht hat es mir Schlimmeres als dir. Welcher von unseren Wegen war nun der bessere? Bei Gott, ich wünschte, du wärest nicht zurückgeblieben und hättest deinen Bogen bereitgehabt. Bei Gott, ich wünschte, ich selbst hätte einen Bogen geführt oder ein Schwert. Warum sind wir Frauen so schwach? Lieber hätte ich mich im Kampf umbringen lassen, als so…« Sie holte tief Luft und schwieg.
Während die Trauer um Adam und
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