Die Bogenschützin: Roman (German Edition)
unsinnige Sehnsucht danach, ihm länger nah zu sein. Er konnte ihren alten Freund in keiner Weise ersetzen, dennoch hätte sie viel dafür gegeben, wenn er nur ein wenig freundlicher zu ihr gewesen wäre. Sie tat sich nicht so leicht mit seiner Ablehnung, wie sie vorgab.
Widerwillig schlenderte sie ihm nach. Er blieb in sicherer Entfernung von ihrem Schwarzen, betrachtete ihn aber eingehend von allen Seiten. Schließlich warf er ihr einen spöttischen Blick zu. » Eure Tiere sind wie Ihr, Jungfer. Ein wenig mehr Zucht und Pflege, und es könnte etwas Feines daraus werden. Aha, ich sehe, da kommt Euer Bruder. Erlaubt mir denn, mich zu verabschieden. Und noch meinen Dank für das Schwert, von wem es auch stammen mag. Ich werde es in Ehren halten.«
Hätte Hedwig etwas zur Hand gehabt, das sie nach ihm hätte werfen können, sie hätte es getan. Erst als er gegangen war, fiel ihr auf, dass in seinem Spott auch ein Anflug jener Freundlichkeit gelegen hatte, nach der sie sich so sehnte.
5
Wilkins Brüder
O hne Hedwig nach ihrer Meinung zu fragen, hatten die Männer sich darauf geeinigt, sie vorerst zurück in die Stadt Meißen zu schicken. Dort sollte sie im Schutz des Hofes darauf warten, dass sich ein passender Geleitzug ergab, der sie zu ihrer Tante auf die Plattenburg in der Prignitz bringen würde.
Sie beschwerte sich nicht darüber, denn Meißen war ihr in guter Erinnerung geblieben, und einen besseren Plan hatte sie ohnehin nicht. Außerdem fühlte sie sich von der Aussicht getröstet, dass Adam und Irina sie begleiten würden.
Adam war enttäuscht darüber, Kurfürst Friedrich nicht im Heerlager angetroffen zu haben, da er ihm seine Dienste als Hofsänger hatte anbieten wollen. Ihm nach Nürnberg zu folgen, wo während des Reichstages den Herrschaften ein Übermaß an Zerstreuung geboten wurde, erschien dem Spielmann sinnlos. Da war es weiser, erneut die Meißner zu unterhalten, deren Fürsten den Erzbischof von Magdeburg ebenso wenig leiden konnten wie er. Adam hatte bereits ein halbfertiges Spottlied auf seinen Gegner im Sinn, welches er mit blumigen Worten Gräfin Constantia widmen würde.
Bis kurz vor Meißen wollten Köne, Wilkin und ihr kleines Gefolge sie noch begleiten, das letzte Stück des Weges sollten sie mit zwei Männern des Meißner Burggrafen hinter sich bringen.
Die Männer legten ihre vollständigen Rüstungen an, da ihre Reise sie entlang der Gebiete führen würde, die von den Hussiten beherrscht wurden. Sowohl Köne als auch Wilkin trugen Harnische, denen man ansah, dass sie nicht nur zum Präsentieren genutzt worden waren. Der von Köne machte mit robuster Zweckmäßigkeit wett, was ihm an Schmuck fehlte: Er war in Teilen gegen den Rost schwarz brüniert, und nichts knirschte oder schepperte, wenn er sich bewegte. Die Rüstung schien ihm nicht unbequemer zu sein als schwere Kleidung.
Wilkins Rüstung war ursprünglich prunkvoller gewesen, hatte ihren Glanz jedoch an vielen Stellen verloren und dafür Beulen gewonnen.
Hedwig selbst hatte die Reise trotz Adams und Irinas Kopfschütteln in ihrem alten grauen Wollkleid angetreten. Es war weit genug, um darin rittlings zu Pferd zu sitzen oder über einen Bach zu springen, das Tuch war haltbar, und es wirkte immer gleich grau, ob es nun schmutzig war oder nicht. Die kostbaren Roben aufs Spiel zu setzen, die Gräfin Constantia ihr geschenkt hatte, hätte sie nicht übers Herz gebracht. Auch ihre hohen Fuchsfellstiefel, die plump aussahen und für das Sommerwetter etwas zu sehr wärmten, aber Regen und Pferdeschweiß abhielten und beinah unzerstörbar waren, fand sie für den Ritt weit angebrachter als zierliche höfische Schnabelschuhe aus dünnem Leder und Samt.
Obwohl sie ihre vernünftigen Beschlüsse keinesfalls bereute, musste sie sich eingestehen, dass es sie verletzte, wie sich das Verhalten der Männer ihr gegenüber veränderte, als sie ihnen erneut in diesem ihr gewohnten Aufzug entgegentrat. Ihr Bruder Köne, der ihr am Vortag, als sie das vornehme Kleid einer Adligen trug, so höflich begegnet war, dass sogar das eine oder andere freundliche Gespräch zustande gekommen war, beachtete sie nach einem kurzen, peinlich berührten Blick nicht mehr. Wilkin war sie an diesem Tage nicht einmal ein belustigtes Zucken seines Mundwinkels wert– er übersah sie völlig. Wie anders war es mit Cord gewesen. Er hatte sie nach ihrer anfänglichen Unstimmigkeit zwar auch nicht höflich behandelt, doch beschämend unsichtbar hatte sie sich in
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